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frieden für afghanistanSprengstoff Schutztruppe

Eine UN-mandatierte Schutztruppe soll nach Afghanistan, möglicherweise mit deutscher Beteiligung. Dieses an sich banale Ergebnis der Petersberger Afghanistan-Gespräche birgt Sprengstoff. Zunächst erscheint die internationale Truppe zwar als zahnloses Beiwerk der zu bildenden afghanischen Übergangsregierung, und ihr Einsatz soll vor allem die Bringschulden bisher untätiger Mitglieder der US-geführten Anti-Terror-Koalition abdecken. Sie soll in Gebieten unter Regierungskontrolle patrouillieren, solange die Soldaten einer zukünftigen afghanischen Armee in der Ausbildung stecken. Aber wenn ihr Einsatz Sinn machen soll, muss sie mehr tun als das.

Kommentarvon DOMINIC JOHNSON

Zunächst in Kabul und Umgebung, dann, „wenn nötig, schrittweise ausgedehnt“: Diese Umschreibung des geplanten Truppeneinsatzes lässt nur den Schluss zu, dass die ausländischen Soldaten die zu bildende Übergangsregierung schützen sollen – gegen renitente Warlords, autonomiebedachte Provinzfürsten und überhaupt jeden, der die in Deutschland festgeklopfte afghanische Regierungskonstellation militärisch herausfordert. Die Soldaten wären in Kampfeinsätze verwickelt. Dies muss jedem klar sein, der über eine Beteiligung diskutiert.

Dass eine internationale Eingreiftruppe eine Regierung gegen Rebellen schützen soll, ist nicht ungewöhnlich. Die derzeit größte UN-Blauhelmtruppe der Welt tut das im westafrikanischen Sierra Leone. Dieses Beispiel zeigt auch, wie Probleme umgangen werden können: Als Sierra Leones Rebellen im Mai 2000 Hunderte von UN-Blauhelmen gefangen nahmen, entsandte Großbritannien Hunderte von Soldaten. Sie standen nicht unter UN-Kommando, sondern unter dem Londons.

Für Afghanistan ist dieses Beispiel lehrreich. Denn während die UN-mandatierte Schutztruppe für Afghanistan noch nicht einmal auf dem Papier existiert, stehen schon zahlreiche ausländische Soldaten ohne UN-Mandat in verschiedenen Teilen Afghanistans – Amerikaner, Russen, Briten und Franzosen. Manche von ihnen bekämpfen die Taliban, andere sichern humanitäre Hilfe. In Zukunft könnten sie als Schutztruppe für die Schutztruppe dienen.

Es wird also in Afghanistan voraussichtlich Schutztruppen erster und zweiter Klasse geben, wobei die zweite Klasse die UN-Klasse ist. Davon ist in den Petersberger Papieren keine Rede. Aber die afghanische Realität hat sich noch nie an irgendwelchen Papieren orientiert.

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