ex und pop (21): welttorschlusspanik:
von DIETRICH ZUR NEDDEN
Wenn das Ende von etwas naht, das nicht wiederkehrt, werden viele Menschen gern sentimental, andere hektisch. Oder beides zugleich. Wenn dieses Etwas eine Weltausstellung ist, kann man schon von Torschlusspanik sprechen, die Ereignis wird in Staus und Warteschlangen. Jetzt wollen alle hin, ehe es zu spät ist, statt dass sie sich ein Beispiel an Bob Dylan nehmen, der am Anfang seines Konzerts in Portland ein munteres „Hallelujah, I’m ready to go“ sang, das, wenn er es macht, sogar Agnostiker hinreißt.
Aber bleiben wir bei der Psychologie: Die Expo GmbH nennt die auf zahlreichen Displays annoncierten Wartezeiten vor den Pavillons „psychologische“. Sie, die Wartezeiten, seien in Wirklichkeit kürzer, die Zufriedenheit der Besucher aber größer, wenn es schneller als erwartet vorangehe. Grips muss man haben, schlau muss man sein, ein Satz, der durchaus als Motto über dem Gesamtkomplex Weltausstellungsgesellschaft stehen könnte. Wer allerdings eine Akkreditierung besitzt, lacht sich eins, passiert die Wartenden, die Eintritt bezahlt haben, und benutzt den so genannten Easy Access Entrance. Ein einziges Mal nahm ich dieses anrüchige Privileg in Anspruch, wurde vom Aufsichtspersonal durch verborgene Gänge geführt und schließlich gebeten, nicht ausgerechnet in dem Moment ins Innere zu treten, wenn die not so important people die Bevorzugung mitkriegen könnten.
Überhaupt das Aufsichtspersonal. Bei einem Teil der Besatzung handelt es sich um Beschäftigte privater Sicherheitsdienste. Es ist eher schwierig, sie in ihren Uniformen oder mit ihren Nahkämpfer-Attitüden sympathisch zu finden. Bei einer Durchsuchung sind nun bei fünfzehn von ihnen härteste Drogen sichergestellt worden: Haschisch, Marihuana und Ecstasy. Sie sollen damit gehandelt haben, potzblitz. Richtig daran ist mindestens, dass zum Beispiel das bunte Flimmern im Themenpark Gesundheit den Anschein macht, als ob es nach Cannabisgenuss eine Spur eindringlicher rüberkäme.
Dreizehn andere Sicherheitsleute wurden beim Handel mit Eintrittskarten erwischt. Kein Delikt hingegen ist Alkohol am Steuer auf dem Expo-Gelände, weil es dort juristisch gesehen keinen öffentlichen Verkehr gibt. Nicht einmal betrunkene Lastwagenfahrer, die Messehallen beliefern, verlieren den Lappen. Als „verfassungswidrig“ stuft hingegen der Bund der Steuerzahler den Haushaltsentwurf des Landes Niedersachsen für 2001 ein, weil durch die der Expo geschuldeten Kredite zusätzliche Zinsbelastungen von jährlich 55 Millionen Mark eingeplant sind. Unbescholten dagegen wird wohl ein 53-jähriger Bielefelder bleiben, der sich nackicht vor dem Wüstenfort der Vereinigten Arabischen Emirate zeigte. Er ist „Exhibitionskünstler“, daher auf einer Ausstellung bestens platziert und ohnehin vor vier Jahren in seiner Heimatstadt in 29 Bußgeldverfahren freigesprochen worden, weil er „eine akzeptierte Ausnahmeerscheinung“ in Bielefeld, ja, Bielefeld sei. In Hannover dagegen, und das hat letztlich nichts mit der Expo zu tun, bot ein Restaurant bis vor kurzem „Käse am Gast serviert“ an.
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