eulennest: Verunreinigtes Saatgut
Die Europäische Kommission wird in drei Monaten über einen Entwurf zur gesetzlichen Regelung des Umgangs mit genmanipuliertem Saatgut beraten. Bis dahin versuchen Bauernorganisationen, Naturschutzverbände, Greenpeace und die Assoziation biologisch-dynamischer Pflanzenzüchter unter der Parole „Save Our Seeds“ den EU-Entscheidungsfindungsprozess noch in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Anfang der Woche stellte Benedikt Härlin von der „Zukunftsstiftung Landwirtschaft“ – die insbesondere die Herstellung von Öko-Saatgut fördert – gemeinsam mit Vertretern von Bioland, Greenpeace und dem Deutschen Naturschutzring ihre Kampagne vor.
„Beim EU-Entwurf geht es um die Einführung der Gentechnik beim Anbau – durch die Hintertür“, sagte Härlin. Auf Wunsch der Gentechnikindustrie soll zukünftig je nach Pflanzenart eine zwischen 0,3- und 0,7-prozentige „gentechnische Verunreinigung“ des Saatsguts erlaubt werden, ohne dass dieses auch gekennzeichnet werden muss. Die Folge wäre jedoch eine weit darüber hinausgehende Kontamination der Äcker durch den Pollenflug genmanipulierter Pflanzen. Nach Ansicht der Organisatoren würde damit die „allseits beschworene Wahlfreiheit der Verbraucher und Landwirte vollends zur Farce“. Denn die genmanipulierten Pflanzen könnten sich, wie alles Saatgut, vermehren und auf artverwandte Pflanzen auskreuzen. Bedroht wäre dann auch die Saatguterzeugung für biologisch bewirtschaftete Betriebe. Befürchtet wird, dass der Ökolandbau dann nicht mehr die Gentechnikfreiheit seiner Produkte garantieren könne.
„Im Interesse der Verbraucher muss das Saatgut sauber bleiben“, deswegen sollte gerade die grüne Landwirtschaftsministerin in Deutschland nicht hinter Österreich zurückfallen, wo maximal 0,1 Prozent an Gentech-Verunreinigungen gesetzlich festgeschrieben wurden. Zudem muss sichergestellt sein, dass die Großhändler – wie zum Beispiel Töpfer in Hamburg, der gentechnik-freies Soja nur noch mit Mehrkosten von 30–40 Prozent anbietet – nicht durch Aufschläge für unmanipuliertes Saatgut die „Wahlfreiheit“ bei den Sorten einschränken.
Abgelehnt wird von den Saatgutschützern auch die Forderung nach „gentechnikfreien Produktionszonen“, da diese den Initiativen zur Vermarktung regionaler Produkte zuwiderlaufen würden. Bemängelt wurde am EU-Gesetzesentwurf außerdem, dass die Haftungsfragen darin nicht geklärt werden. Das bereits bestehende Umwelthaftungsrecht schließt Landwirte, die genmanipuliertes Saatgut verwenden, nicht mit ein. Aus diesem Grund ist auch der ansonsten eher konservative Bauernverband „besorgt“, sogar eine Reihe kleinerer Saatgutzüchter unterstützt inzwischen den Protest, weil sie befürchten, eventuell die Kosten der Saatgutreinigung aufgebürdet zu bekommen.
„Wir wollen ein Reinheitsgebot!“, erklärte Benedikt Härlin, denn es sei zum Beispiel bereits vorgekommen, dass der Gentechnik-Konzern Monsanto seine Kunden in Italien kurz vor der Maisaussaat mit der Ankündigung erpresste: „Auf null Verunreinigung dürft ihr nicht bestehen – sonst liefern wir nicht!“
HELMUT HÖGE
Weitere Infos: www.zs-l.de und www.saveourseeds.org
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