eject: STEFFEN GRIMBERG über Tore, Punkte, Geisterhaftes
Und die Madonna weint
Um es gleich vorweg zu sagen: Diese Seite wurde vorproduziert. Am Donnerstag. Wir wissen auch nicht, ob Sie am heutigen Samstag in der „Tagesschau“ echte Bundesligabilder zu sehen bekommen. Oder nachgestellte. Mit Fritze „Bomber“ Pleitgen als Sturmspitze der ARD und seinem Vize Peter „Dichter“ Voß im Kasten.
Falls Ihnen aber ob des Hickhacks von öffentlich-rechtlichen Gutfunkern und den bösen Mächten aus Ismaning die sportskameradliche Galle überquillt und Sie schon das schöne alte Ligalied „Wir sind die Betrogenen dieser Erde“ (auf die Melodie von „Arbeitslos und kein Geld im Portemonnaie – Borussia BVB, Borussia BVB“ zu singen) anstimmen: Halblang!
Meinen Sie denn im Ernst, bei Sat.1 wäre jemand über den 20.15-Uhr-Termin für „ran“ glücklich? Haben Sie denn nicht mehr Werner „Schalke“ Hansch im Ohr, der unlängst bei der charmanten Sandra Maischberger zu Protokoll gab, Sat.1-Unternehmenssprecherin Kristina Faßler („eine sehr charmante Frau“) habe ihm, Hansch, vermittelt, das Ganze sei eben eine Herausforderung? Und der dann, weil er charmanten Frauen eben nichts abschlagen kann, mit einem spitzbübischen Lächeln, wie es nur ein solide gealterter Ruhrgebietsindianer trägt, sagte, genau so sehe er das jetzt auch: „Als Herausforderung.“ Man wird bei der ganzen Angelegenheit ohnehin den Eindruck nicht los, ARD und Kirch säßen im selben Boot. Tun sie nämlich: So viel herrliche PR! Und alles umsonst. So viele bedeutungsschwangere Agenturmeldungen, Artikelquadratmeter, Radiokommentare. Stets mit Verweisen auf „Sport-“ und „Tagesschau“ und natürlich die überragende 40-Minuten-Terrine aus den ARD-Landeshörfunkanstalten von Hamburg bis München. Immer mit gründlichster Erklärung, dass ja nun „ran“, diese Fußballsendung bei Sat.1, ja, genau, „ran“, ab diesem Samstag um 20.15 Uhr läuft. In Sat.1. Also nicht vergessen: „ran“ um 20.15 Uhr in Sat.1, ja? Oder vielmehr: Sat.1 – „Emotion“, wie der neue Senderslogan ja jetzt auf einmal heißt.
Bei so viel Emotion macht ja auch gerne die Politik mit: Sag mir was zum Fußball als Menschenrecht („Bundesliga gehört den Fans, nicht den Konzernen“ – Grüne; „Entsetzlich“ – SPD; verdammt, wo bleibt die Union?), schon blasen wir, die Medien, es groß in die Welt hinaus. Und Bayern wird sowieso wieder Meister (hat jedenfalls Forsa für die Bildwoche abgefragt.)
Wobei: Das Recht auf Kurzberichterstattung besteht, und natürlich hat die ARD bzw. die Sportredaktion der „Tagesschau“ die Auswahl zu treffen, von welchen Spielen berichtet wird – und nicht etwa der Kirch-Sportkoordinator. Nur: Wir reden über 30-Sekunden-Schnipsel, 45 Sekunden at most.
Die Lösung aller Probleme präsentierte dabei schon vor einer guten Woche ein ausgewiesener Kenner der Materie: Der gute alte Kicker erfreute auf seiner Titelseite mit einer besonderen Dreingabe, die an südeuropäische Heiligenkitschbildchen erinnerte: Wenn man die Karte knickt, weint die Madonna. Genauso brachte der Kicker Bewegung ins Spiel: Im rechten Licht schießt auf Knick ein schemenhaft zu erkennender Sportbehoster einen wohl den Ball mimenden Lichtfleck in ein ebenso verschwommenes Tor. Kurzberichterstattung at it’s best. Und garantiert kein Rundfunk.
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