eject: Annette Klinkhardt über estnische Nachtigallen
Mit Vögeln gewinnen
Es war ihr erster Grand Prix, dennoch spulten alle Kandidaten ihr Programm souverän ab. Vier schräge Vögel hatten es zur deutschen Vorausscheidung geschafft, die bis 8. April im Internet ausgetragen wurde. Spatzl im Trachtenjanker mit seinem schunkelsigen „Tschilp“ war klarer Favorit der Musikantenstadl-Fans. Nach ihm Mosi, der Pirol aus München: schwarzer Frack, gelbes Hemd, parfümierter Bürzel. Sein „Bülo bülo“ im nasalen Sprechgesang überraschte durch Ethno-Elemente, die der Vogel von seinen Afrikatourneen mitgebracht hatte. Ganz unerwartet war auch das Duo Buch & Fink dabei. Die Körnerfresserfraktion jubelte schon bei den ersten Takten des rappigen „Didididisterwi“. Und zuletzt, gerade zurückgekehrt vom Begräbnis der Queen Mum, den Schwanz erwartungsfroh in die Höhe gereckt, der Liebling aller Schwiegermütter: Zaunkönig.
Bei Vögeln und Grand Prix denkt jeder natürlich zuerst an Ralph Siegel, doch der durfte an der Vorausscheidung zum „European Bird Contest“ nicht teilnehmen. Waren die Kriterien des austragenden Naturschutzbundes Nabu doch sehr strikt: „schön“ und „typisch deutsch“ sollte der Beitrag sein. Leider singt Corinna May nun mal einen Siegelsong mit englischem Text.
Sei’s drum. Klarer Favorit war jedenfalls Spatzl. Umso größer die Überraschung über das Ergebnis: Ein „Tschilp“ allein genügt den Preisrichtern nicht mehr. Mit nur 14,8 Prozent landete er schwer abgeschlagen auf Platz 4. Der „Vogel des Jahres 2002“ zeigte sich geschockt und kündigte an, nächstes Jahr nicht mehr anzutreten: „Der Grand Prix verkommt immer mehr zu einer Blödelveranstaltung“, rohrspatzte er. „Solide Schlager sind nicht mehr gefragt.“ Enttäuscht auch das Duo Buch & Fink, deren „Dididididisterwi“ die Preisrichter zu sehr an Stefan Raabs Grand-Prix-Beitrag vor zwei Jahren erinnerte – nur Platz 3. Mosi kam immerhin auf Platz 2, und für Deutschland zwitschern darf der Zaunkönig! Keine leichte Aufgabe: Muss der sympathische Kugelnestbauer doch gegen Konkurrenz aus 19 Ländern antreten. Darunter Stars wie die Nachtigall (luscinia luscinia) aus Estland. Ab dem 15. Mai wird wieder abgestimmt, unter www.birdeurovision.org. Deshalb Daumen drücken, damit es am 25. Mai bei der Siegerehrung im estnischen Tallin heißt: „Zaunkönig, 12 Punkte“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen