einwanderung: Der Spaß der Liberalen
Manchmal muss es richtig Spaß machen, in der Opposition zu sein. Die FDP jedenfalls kann ihre Rolle genießen. Während die grünen Regierungspolitiker ängstlich darauf warten, was Innenminister Schily in seinem Entwurf für ein neues Zuwanderungsgesetz vorschlagen wird, präsentieren die Liberalen ihre Vorstellungen ohne Rücksicht auf mächtige Koalitionspartner – pur, ungeschminkt und zum großen Wohlgefallen ihrer Klientel.
Kommentarvon LUKAS WALLRAFF
Keine Quoten bei der Einwanderung von Arbeitskräften, keine Beschränkung auf bestimmte Branchen, keine bürokratischen Hindernisse und erst recht keine umständlichen Kommissionen, die noch Bedenken anmelden könnten – was die FDP gestern vorgeschlagen hat, klingt selbst für grüne Verhältnisse gut. Vor allem aber entspricht das liberale Konzept den Wünschen der Wirtschaft, die sich ihre Mitarbeiter frei aus dem globalen Angebot aussuchen will. Ob der Bedarf wirklich so groß ist, wie die FDP behauptet, lässt sich allerdings bezweifeln. Die gerade vorgestellte Bilanz des ersten Green-Card-Jahres mit nur 9.000 ausländischen Computerexperten spricht nicht dafür.
Kann sich das noch ändern – mit „ganz unbürokratischen und flexiblen Regelungen“, wie sie die FDP verlangt? Wohl kaum. Denn auch die Liberalen wollen ArbeitsmigrantInnen zunächst nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung anbieten. Erst nach fünf Jahren sollen sie dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Wer in der Zwischenzeit seinen Job verliert, hat Pech gehabt und muss wieder gehen.
So revolutionär und fortschrittlich, wie das FDP-Konzept auf den ersten Blick klingt, ist es also keineswegs. Aber darauf kam es Guido Westerwelle und den liberalen Strategen wohl auch nicht an. Mit Blick auf den beginnenden Wahlkampf versuchen sie, gleichzeitig die Wirtschaft zu erfreuen und die grünen Konkurrenten zu ärgern. Was hängen bleibt, ist die Botschaft „Ausländer rein!“ Eine urgrüne Botschaft, die in der ganzen Diskussion um das neue Einwanderungsgesetz so noch nicht zu hören war.
Die Grünen trauen sich noch nicht einmal, klare Mindestforderungen beim Asylrecht zu formulieren. Da lässt Schily tagelang Meldungen über Verschärfungen kursieren, ohne sie zu dementieren – und von den Grünen hört man nur, sie wollten erst mal abwarten, was Schily wirklich vorschlägt, und sich „nicht provozieren lassen“. Wenn sie nicht aufpassen, werden sie nicht provoziert, sondern überholt. Von der FDP.
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