piwik no script img

ein jahr kosovo-krieg Der Tag: Mittwoch, 7. April 1999

VERLASSENE FLÜCHTLINGSCAMPS

Gespenstische Szene: Gestern noch kampierten 280.000 vertriebene Kosovo-Albaner am jugoslawisch-albanischen Grenzübergang Morina. Notdürftige Plastikplanen gegen die Witterung, zu wenig Nahrung für Kinder und Erwachsene. Heute Morgen ist der Platz menschenleer. Ein albanischer Zöllner sagt, jugoslawische Grenzer hätten die Menschen zurück in den Kosovo geschickt. Unter Zwang. Zurück in die Dörfer, wo Milošević’ Schergen plündern und morden. Das gleiche Bild nahe der makedonischen Grenzstadt Blace. Gestern noch harrten 14.000 Flüchtlinge darauf, ausreisen zu dürfen. Am morgen findet ein Pressefotograf keinen einzigen mehr. Die OSZE sagt, die Menschen seien über Nacht nach Korce im Südosten Albaniens gebracht worden. Vertreter der albanischen Presseagentur Ata sagen, serbische Soldaten hätten die Menschen gegen ihren Willen und mit Gewalt in das Kosovo zurücktransportiert – als „menschliche Schutzschilde“ gegen die Nato-Bomben. Alle sagen etwas, keiner weiß es sicher. Eines scheint trotzdem klar: Der Belgrader Despot will verhindern, dass die Nato-Kampfflugzeuge aus der Luft leichtes Spiel haben, indem im Kosovo nur noch seine Soldaten auszumachen sind. Keine Zivilisten, die ihres Zieles unsichere Piloten nicht treffen wollen. Und deshalb ihre Bomben und Raketen nicht abwerfen. Dennoch sind allein in Albanien schon 275.000 Flüchtlinge angekommen. Weil das arme Land sie nicht aus eigener Kraft alle unterbringen und verpflegen kann, hat die Nato beschlossen, einen Großteil von ihnen in Länder des Bündnisses auszufliegen. Am Nachmittag trifft das erste Flugzeug mit 60 Kosovo-Albanern in Nürnberg ein – Alte und Mütter mit Säuglingen. Weitere 200 Flüchtlinge folgen bis zum Abend. Insgesamt will Deutschland 10.000 Menschen aufnehmen. har

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen