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ein appellGegen Hass

Im Mai war es der Russlanddeutsche Kajrat in Wittstock, letzte Woche wurde der 19-jährige Ahmed im saarländischen Sulzbach Opfer der Aggression eines Neonazis (taz v. 12. 8. ): Bei einem Streit zwischen Skinheads und Türken zückte einer der Skins ein Messer und stach zu. Ahmed erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. In einem eindringlichen Appell reagiert der Deutsch-Ausländische Jugendclub (DAJC), Saarbrücken, auf den Übergriff:

„In die Wut und Trauer über den sinnlosen Mord in Sulzbach mischt sich die Frage: Wie konnte das geschehen? Beide, Opfer und Täter, wurden in diesem Land geboren, haben hier gelebt, sind hier zur Schule gegangen, wurden hier sozialisiert. Doch sofort gab es den Konsens: hier habe man es mit einem Fall von Fremdenfeindlichkeit zu tun. Ein türkischer Jugendlicher, der hier geboren wurde, soll ein Fremder sein? In dieser immer noch selbstverständlichen Unterscheidung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen, zwischen Einheimischen und Fremden liegt ein Hauptproblem, das zeigt, dass die Ursachen für Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt in unserer Gesellschaft nicht zu reduzieren sind auf gewaltbereite Neonazis, sondern tiefer liegen.

Da wäre zum einen die Tatsache, dass sich die Politik in diesem Land hartnäckig weigert, die Realität der interkulturellen Gesellschaft anzuerkennen, und damit beständig einen Keil zwischen die verschiedenen Gruppen dieser Gesellschaft treibt; da beansprucht dann eine Mehrheit, mehr als andere dazuzugehören. Soziale Angst und sozialer Neid werden in eine bestimmte Richtung gelenkt: Dieser Fremde nimmt mir meinen Arbeitsplatz weg, er bringt mein Leben in Unsicherheit.

Zum anderen haben wir ein gesellschaftliches Klima, das Menschen nach ihrer ökonomischen Effizienz beurteilt. Die Computerspezialisten können kommen, Asylbewerber liegen uns auf der Tasche. Dass in einem solchen gesellschaftlichen Klima der Konkurrenz und des Neids rechte Gewalt einen fruchtbaren Nährboden findet, liegt auf der Hand.

Wir fordern aufgrund der aktuellen rechten Gewalttat: Die Anerkennung der Realität der interkulturellen Gesellschaft.

Die Anerkennung der Bundesrepublik als Einwanderungsland. Mehr Aufklärungs- und Bildungsarbeit in den Schulen über Neonazis und rechte Gewalt.

Ein konsequenteres Vorgehen gegen organisierte rechte Szenen und Organisationen.

Die Unterscheidung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen muss aufhören. Es muss anerkannt werden, dass auch die bundesdeutsche Realität geprägt ist von interkultureller Vielfalt.“

DAJC, Johannisstraße 13, 66111 Saarbrücken

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