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ehegattensplittingSchönes, großes Steuerschlupfloch

Wie kann der Staat Geld sparen und dabei auch noch progressiv sein? Er schafft das Ehegattensplitting ab. Darauf sind in der gegenwärtigen Haushaltssituation sogar die Regierungsparteien gekommen – juhu! Seit Jahren schon liegen Rote und Grüne uns damit in den Ohren. Sollte es jetzt wirklich Ernst werden?

Kommentar von HEIDE OESTREICH

Die tolle Idee hat einen Haken: Nicht alle sind von ihr überzeugt. Ganz und gar nicht zum Beispiel die Union: Sie sieht einen „Anschlag auf die bewährte Lebensform Ehe“, die Heirat würde zum „materiellen Schaden“!

Dabei ist es genau umgekehrt: Die bewährte Lebensform Ehe müsste dringend vom Splitting befreit werden. Zur Erinnerung: Wenn der Herr Oberingenieur gut verdient und seine Frau nach drei Erziehungsjahren wieder halbtags arbeiten möchte, wird sie unglaublich hoch und er unglaublich niedrig besteuert. Nicht nach ihrem individuellen Einkommen nämlich, sondern nach der Splittingtabelle. Da kann sie eigentlich gleich zu Hause bleiben, dann ist der Splittingvorteil noch größer. Die Union findet das gut und gerecht. In Wahrheit erzeugt das Splitting ein Machtungleichgewicht in der Ehe und frustrierte Ehefrauen. Viele Gattinnen widmen sich nicht ganztägig ihren Kindern. Sie haben keine. Die meisten anderen, das zeigen Umfragen, würden die Kleinen lieber in die Krippe bringen und selbst Geld verdienen. Aber je mehr sie verdienen, desto kleiner wird der Splittingvorteil. Das Splitting ist also eine Daheimbleibprämie.

Das Verfassungsgericht hat verboten, diese Bevorzugung der Ehe ganz abzubauen. Doch sein Hintergedanke war, dass Kindererziehung steuerlich gefördert werden soll. Wenn Rot-Grün diese Förderung nun durch Krippen und Freibeträge für Kinder sicherstellt, fällt dieses Argument weg. Übrig bleibt eine Privilegierung von Ehepaaren, ob mit oder ohne Kinder. Die ist kaum zu rechtfertigen.

Natürlich kann man eine Steuerprivilegierung, auf die sich Millionen von Familien eingestellt haben, nicht mal eben abschaffen. Darum möchte die Koalition nur den maximalen Splittingvorteil begrenzen. Ob die Union dagegen die Massen „auf die Straße“ bringen kann, wie der niedersächsische CDU-Chef Christian Wulff ankündigte? Unangenehme Szenen sind eher im Bundesrat zu erwarten, der dem Gesetz zustimmen muss. Das Zuwanderungsgesetz lässt grüßen: Alle Experten sind dafür, aber die Union macht Stimmung. Leider. Man würde nämlich ein schönes, großes Steuerschlupfloch schließen.

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