editorial taz-rechercheprojekt grüne armee in afrika: Umweltschutz geht nur mit den Menschen
Der Naturschutz hat ein Problem: Die weitverbreitete Wahrnehmung einer unberührten Natur im Gegensatz zu der vom Menschen geprägten Kulturlandschaft ist an kaum einem Ort der Erde noch aufrechtzuerhalten. Steigende Bevölkerungsdichte und zunehmender Ressourcenbedarf stehen dem Wunsch nach „naturbelassenen“ Schutzgebieten gegenüber. Während der Erhalt der Biodiversität ein unbestritten wichtiges und ehrenwertes Anliegen ist, dürfen jedoch die Interessen der Menschen nicht dahinter zurücktreten.
Nirgendwo tritt der Widerspruch zwischen Naturschutz und menschlicher Lebenswelt deutlicher und brutaler zutage als in Afrika. Nicht zuletzt deutsche Entwicklungshilfegelder werden dafür eingesetzt, immer neue Schutzgebiete auszubauen. Das Nachsehen hat oft die lokale Bevölkerung. Konzepte für einen nachhaltigen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessenlagen haben keine Priorität. Der Schwerpunkt internationaler Bemühungen liegt auf dem sogenannten Krieg gegen die Wilderei. Der Tierschutz soll wehrhaft werden, um die vom Aussterben gefährdeten Arten zu retten. Angeblich finanzieren sich Terrororganisationen aus dem Handel mit Elfenbein oder Ressourcen aus den Parks. Seitdem werden die lokalen Wildtierschutzbehörden hochgerüstet. Doch die bekämpfen nicht internationale Schmugglerringe, sondern betrachten zunehmend die lokale Bevölkerung als Feind.
Die taz dokumentiert seit über einem Jahr Übergriffe auf die Menschen, die seit Generationen innerhalb dieser Gebiete oder um sie herum leben. Die Militarisierung führt dazu, dass Wildtierschutzbehörden die Nationalparks wie „Festungen“ verteidigen. Geldgeber wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit bezeichnen die gewaltsamen Übergriffe der von ihnen bezahlten Wildhüter als „tragische Einzelfälle“. Doch allein die Zahl der bisher bekannten Fälle weist auf ein systematisches Problem hin. Wird es nicht angegangen, hilft das weder dem Naturschutz noch den Menschen vor Ort. Diesen bleibt oft nichts anderes, als die Bemühungen um bedrohte Arten als Angriff auf ihre Lebensgrundlage zu verstehen. Wirksamer Artenschutz kann jedoch nur gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung gelingen, nicht gegen sie.
Dieses Rechercheprojekt der taz möchte einen Beitrag dazu leisten, die weniger glorreichen Seiten des Naturschutzes in Afrika zu zeigen. Dazu gehört eine Bestandsaufnahme der laufenden Militarisierung im Naturschutz und ihrer Finanzierung. Andererseits sollen die konkreten Folgen für die im Umfeld der Schutzgebiete lebenden Menschen beleuchtet werden. Zu ausgewählten Standorten wird auf taz.de eine Übersicht dokumentierter Vorfälle präsentiert.
Die dargestellte Auswahl ist weder abschließend, noch soll sie die Bemühungen um den Erhalt von Biodiversität delegitimieren. Im besten Falle ist sie eine ergänzende Hilfestellung für jene, die Naturschutz anders als ohne oder gegen den Menschen denken und danach auch handeln wollen. Simone Schlindwein, Daniél Kretschmar
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen