dublin police blues:
von RALF SOTSCHECK
Ian sieht ziemlich heruntergekommen aus: Die zerbeulte blaue Hose schlabbert ihm um die Beine, das zerknitterte Jackett in einem dunkleren Blau beißt sich mit der Hose, am Revers blättert ein Wappen ab. Sein Kollege Tony macht keinen besseren Eindruck, er ist mit einer dunkelblauen Hose und einem hellblauen Pullover gekleidet, beides ist mindestens eine Nummer zu klein. Ian und Tony schwitzen, denn es herrschen sommerliche Temperaturen, was auch in Irland vorkommt.
Die beiden gehören der Garda Siochana an, den Wächtern des Friedens. So heißt in Irland die Polizei. Die Beamten haben eine neue Uniform bekommen – von miserabler Qualität, schlecht sitzend und unpraktisch. „Wenn du den Schlagstock zücken willst“, meint Ian, „machst du dich nur lächerlich. Bis du das Gerät aus dem viel zu langen Halfter gezwirbelt hast, ist selbst ein gehbehinderter Gangster über alle Berge.“ Mit Stift und Notizbuch sei es ähnlich, sagt Tony: „Die Taschen sind so schwer zugänglich, dass mich neulich ein Falschparker gebeten hat, ihm eine Ansichtskarte zu schicken, wenn ich fündig geworden sei. Dann fuhr er davon, ich konnte mir nicht mal seine Nummer notieren.“
Wer immer die Uniform entworfen hat, und viele Beamte mutmaßen, dass die Unterwelt dabei mitreden durfte, hat einen Sommerpullover vergessen. So müssen die Polizisten in dicken Wollpullis oder schweren Uniformjacken rösten oder hemdsärmelig frieren, denn ganz so warm wird es in Irland dann doch selten. Die Sommerhosen sind aus demselben Stoff wie die Winterhosen, sie sind nur etwas heller.
Aber wann beginnt der Sommer? Das ist den Beamten überlassen. Wenn zwei von ihnen auf Streife gehen, der eine winterlich, der andere sommerlich gekleidet, dann sehen sie aus wie die Rebellen von 1916, die sich aus verschiedenen Asservatenkammern Phantasieuniformen zusammengeklaut hatten. „Dabei ist der Sinn einer Uniform doch“, jammert Ian, „dass wir alle uniform, also gleich aussehen.“ Hinzu kommt, dass das offizielle Polizeiwappen, das ihnen eine gewisse Würde verleihen soll, auf den neuen Uniformen nur aufgemalt ist und schon nach der ersten Reinigung verblasst und schließlich abbröckelt.
„Noch schlimmer ist es, wenn wir Verkehrsdienst machen und uns die fluoreszierenden Jacken überziehen“, sagt Tony. „In Verbindung mit der Uniform sehen wir aus wie Baustellenwarnhütchen, es fehlt nur noch, dass sie uns ein Blaulicht auf den Kopf stülpen.“
Unzufrieden sind die Beamten auch mit ihrer Unterbringung. Wegen der hohen Mietkosten in den Städten müssen sie sich zu dritt ein Zimmer teilen, während die Verbrecher, die sie bisweilen schnappen, im Gefängnis höchstens zu zweit in der Zelle sitzen. Das hat aber auch einen Vorteil: Wenn sie auf Streife gehen, können sich die Beamten gegenseitig in Kleidungsfragen beraten. Und bald wird ohnehin alles besser.
Die Polizeiführung, denen die Beschwerden ihres bunten Haufens nicht verborgen blieb, hat einen Uniform-Ausschuss eingerichtet. Schade, dass der „General“, Dublins Unterweltboss, von der IRA erschossen worden ist. Er hätte sicher ein paar modische Vorschläge machen können, trat er vor Gericht doch meist im Mickymaus-T-Shirt und mit Mäuseohren auf dem Kopf auf.
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