drei fragezeichen: „Glocken sind Zeitzeugnisse“
In etlichen Kirchen Deutschlands hängen heute noch Glocken mit NS-Symbolen. In Niedersachsen haben nun Unbekannte ein Hakenkreuz an der dortigen Nazi-Glocke entfernt. Fragen an einen Glockenexperten.
taz: Herr Rupp, im niedersächsischen Schweringen haben Unbekannte ein Hakenkreuz von einer Glocke geflext. Schadet so eine Aktion der Glocke?
Andreas Rupp: Natürlich kann es der Glocke schaden, wenn man das nicht fachgerecht macht. Prinzipiell geht es aber auch ohne Schaden. Aus Schweringen habe ich nur ein Bild in der Zeitung gesehen. Darauf ist zu erkennen, dass die Oberfläche der Glocke metallisch bearbeitet wurde – wohl eher geschliffen als geflext. Und da war auf den ersten Blick tatsächlich kein Schaden zu erkennen.
Wie würden Sie denn vorgehen, wenn Ihnen eine Gemeinde den Auftrag gäbe, ein Hakenkreuz fachgerecht zu entfernen?
Ich würde auch eine Schleifmaschine nehmen und erst die Patina entsprechend entfernen. Dann würde ich solche Oberflächen bis auf den Glockenkörper einebnen. Es ist nicht zu erwarten, dass sich der Klang der Glocke dadurch verändert hat.
Glocken haben ja häufig Inschriften und Bilder mit ganz unterschiedlichen Botschaften. Und wir wissen, dass sich solche Inschriften erst dann im Ton bemerkbar machen, wenn sie wirklich massiv auf der Glocke aufgetragen sind, großflächig und einen halben Zentimeter dick. Normale Inschriften wirken sich kaum aus.
Wie sollten man Ihrer Meinung nach heute mit Glocken dieser Art umgehen?
Es gab damals eine Verquickung von Kirche und Nazis. Es gibt sicherlich noch andere Glocken mit solchen Symbolen, und man sollte mal eruieren, was dazu geführt hat. Es gab zum Beispiel eine Phase, in der die Nazis Tausende Glocken abhängen ließen – eventuell haben sich manche erhofft, dass ihre Glocke erhalten bleibt, wenn da ein Hakenkreuz drauf ist.
Vielleicht waren auch einzelne Spender verantwortlich oder es war politisch gewollt. Ich weiß es nicht. Es wäre aber spannend, die Gründe zu erforschen – unabhängig davon, wie man es aus heutiger Sicht bewertet. Das sind ja Zeitzeugnisse.
Interview: Tobias Schulze
Andreas Rupp, 58, ist Glockenexperte und Wissenschaftlicher Leiter am Europäischen Kompetenzzentrum für Glocken in Kempten. Glockenexperten stellen Glocken so ein, dass sie ihren Klang optimal entfalten können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen