doppelblind: Umweltzonen können Risiko für Depressionen senken
Worum geht’s?
Was war das für eine Aufregung, als ab 2008 in Deutschland die ersten Umweltzonen eingeführt wurden – städtische Bereiche, in die Fahrzeuge mit zu starken Emissionen nicht mehr einfahren durften. Das Ziel: die Konzentration an Luftschadstoffen verringern.
Denn Straßenverkehr ist einer der größten Verursacher von Schadstoffen wie Stickoxiden und Feinstaub. Untersuchungen belegen, dass Feinstaub allein in Deutschland für mehr als 30.000 Todesfälle im Jahr verantwortlich ist. Zudem gibt es Hinweise, dass Luftverschmutzung nicht nur Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht und begünstigt, sondern sich auch auf andere Organe auswirkt – zum Beispiel Darm und Gehirn.
Die Studie
Wissenschaftler:innen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und der Universität Maastricht haben untersucht, wie sich Umweltzonen auf zwei Faktoren auswirken: auf Bildung und auf psychische Gesundheit. Herangezogen wurden dafür unter anderem anonymisierte Schul- und Krankenkassendaten.
Das Ergebnis: Nach der Einrichtung von Umweltzonen sei die Zahl der Grundschulkinder, die aufs Gymnasium wechseln, von 38,9 auf 39,9 Prozent gestiegen. Die Übertrittsrate aufs Gymnasium gilt als zentraler Indikator für den langfristigen Bildungserfolg. Zurückgegangen sei dagegen das Risiko für psychische Erkrankungen, das für Depressionen um 3,5 Prozent und das einer Angststörung um 4,2 Prozent. Die Verordnungen von Antidepressiva seien um 4 Prozent gesunken. Am größten seien diese Effekte bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen gewesen.
Was bringt’s?
Umweltzonen gelten gerade in konservativen und liberalen Kreisen als etwas spinnerte Idee linker Ökos, um Autofahrer:innen in ihrer wohlverdienten Freiheit einzuschränken. Zudem ist die Technologie der Verbrenner-Autos in den vergangenen Jahren etwas besser geworden, sodass die Grenzwerte für Luftschadstoffe vielerorts nicht mehr stark überschritten werden. Der Trend geht daher zur Aufhebung der Umweltzonen.
Allerdings: Wahrscheinlich sind die aktuell geltenden Grenzwerte noch deutlich zu lasch. So vertritt etwa die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon seit Längerem die Position, dass ein knappes Einhalten der Grenzwerte keine gesundheitliche Unbedenklichkeit bedeutet.
Neue wissenschaftliche Studien stellen wir jede Woche an dieser Stelle vor – und erklären, welchen Fortschritt sie bringen. Sie wollen die Studie finden? Jede hat einen Code, hier lautet er: doi.org/10.18723/diw_wb:2024-47-2
Im besten Fall sorgen Studien wie diese für ein Umdenken. Wenn es um Leistungsfähigkeit geht, könnte das das Image von Umweltzonen in weiteren Teilen der Bevölkerung salonfähig machen – ebenso wie den Einsatz für schärfere Grenzwerte auf EU-Ebene. Und so im besten Fall dafür sorgen, dass es mehr Umweltzonen gibt und damit bessere und gesündere Lebensbedingungen für mehr Menschen.
Svenja Bergt
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