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dieter baumann über LaufenA bissle Unfug

Manche glauben: Man läuft zusammen und hat nur noch Freunde. Tja, wenn das Leben so einfach wäre

Eine hübsche Idee, einmal die Journalisten rennen lassen. Sonst sind sie immer mit dem Griffel hinter einem her, gut aufgehoben auf der Pressetribüne, das laufende Objekt fest im Blick. Streng objektiv, versteht sich. Wolfram Götz, der Veranstalter des Hamburg-Marathons, befand, dass das anders werden müsste, und verlegte mein Treffen mit der schreibenden Zunft kurzerhand vom Saal nach draußen. Er nannte es „Pressekonferenz mit Lauf“. Warum sie nicht auf diese Weise in Atem halten?

Nun weiß ich nicht, ob Götz ein wenig Angst vor der eigenen Courage gekriegt hat, denn er hatte gerade mal zwei Kilometer angesetzt. Viel mehr hat er den Jungs wohl nicht zugetraut. Vielleicht hat er befürchtet, sie würden schlecht über seine Veranstaltung schreiben, wenn sie, dem Herzkasper nahe, laufend Fragen stellen müssten.

Zwei Kilometer. Meine Güte, durfte es nicht ein bisschen mehr sein? Wenigstens einmal um die Alster, sieben Kilometer. Das musste doch möglich sein, auch beim harten Job eines Sportredakteurs. Und siehe da, es ging. Die Jungs waren gar nicht so schlecht drauf und hielten tapfer mit.

Und irgendwie scheint es ihnen sogar Laune gemacht zu haben. Der rasende Reporter der Hamburger Morgenpost notierte danach sogar: „Es blieb die Freude über das einzigartige Erlebnis.“ Ich gestehe, solche Zeilen tun auch mal gut. Schön, wenn die Lauferei das Gehirn lockert, die Leute nicht mehr so verbiestert sind und sich einfach mal freuen können. Vielleicht müsste man Pressekonferenzen nur noch im Laufschritt abhalten. Fliegende Gedanken – wie munter wäre das „Meet the press“ in Berlin und anderswo.

Aber zwei Kilometer sind zu wenig. Das lockert die Knochen nicht und lüftet das Hirn nicht ausreichend. Das hat auch der Mann von der Mopo gemerkt. Er hat nur einen Fehler gemacht. Er hat geschrieben, diese Distanz sei „ein bissl zu kurzsch.“ Das ist natürlich Unfug. Wahrscheinlich hat er gedacht, er würde mich so korrekt zitieren. Es stimmt ja, dass für uns Schwaben diese sch-Laute von überragender Bedeutung sind. Aber wir legen auch großen Wert darauf, dass sie an der richtigen Stelle zur Anwendung kommen.

Also, den Nordlichtern zur Kenntnis: Nach einem „z“ folgt niemals ein „sch“. Kurz bleibt kurz. Eine zweite wichtige Regel unserer Sprache ist die Verkleinerungsform. Eine Tasse wird zum Tässle, eine Bank zum Bänkle. Das Wort „bissl“ ist weder schwäbisch noch bayrisch. Die Menschen in Stoiber-Land sagen „bisserl“, wir im Schwäbischen sagen, um bei unserem Diminutiv zu bleiben, dazu „bissle“. Des Weiteren kennen wir das Wort „ein“ nicht. Das heißt bei uns schlicht „a“ und wird oft mit einem kleinen Zungenschlag in Richtung „ä“ gesprochen. Korrekt müsste das Zitat also lauten: „a bissle kurz“. (Auch das „zu“ kann man vergessen. Es ist ein unnötiges Füllwort und für den Schwaben vernachlässigbar.)

„A bissle kurz“ war dann die Strecke nicht mehr. Aus den zwei Kilometern wurden neun, aus den Journalisten Läufer. „25 Bewegungswillige kesseln Baumann regelrecht ein“, schrieb die Morgenpost und sah mich am Ende die „Nestwärme genießen“. Wenn das Leben so einfach wäre. Man rennt zusammen und hat nur noch Freunde. Sagen wir es so: Es waren neun Kilometer Lebensfreude für die Journalisten und mich. Das tut einfach gut.

Natürlich haben sie „nebenbei“ auch ihr Thema abgearbeitet: den Hamburg-Marathon am 21. April. 18.000 werden kommen und vorher dieselben Fragen haben. Wie bereite ich mich auf einen Lauf vor, den ich im Training nicht simulieren kann? Was kommt ab Kilometer 32, 33 oder 34? Keiner weiß eigentlich, wie er die letzten Kilometer übersteht. Damit wird der Marathon zu einem der letzten Abenteuer, spannend für jeden Einzelnen, den Topathleten wie den Freizeitläufer.

Alle stecken wir in der gleichen Vorbereitung und überlegen: Wie oft in der Woche laufen? Wie viele Kilometer? Wie häufig eine lange Strecke absolvieren? Wie lange ist überhaupt lang? Wie schnell, wie langsam? Bestimmt läuft der Baumann, immer mit einem Blick auf die Uhr, Zwischenzeit und Puls kontrollierend. Gehetzt durch Leistungsdruck und eine Zeit, die er unbedingt in Hamburg erreichen will. So prasseln die Fragen auf mich ein, und ich denke zunächst nur ans Ankommen.

Bekannt ist mir nur meine Startnummer. 37. Nichts, gar nichts kann man daraus ableiten. Mein Alter, okay. Aber zwei Stunden, drei Minuten und sieben Sekunden? Nein, unmöglich. Zwei Stunden und 37 Minuten. Zu langsam. Hoffentlich irgendwo dazwischen.

Fragen zu Laufen?kolumne@taz.de

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