dieser verdammte krieg (58):
SIBYLLE BERG führt heute das Kriegstagebuch der taz.
Opfer von denen da oben
Waren sie auch so völlig überrascht, dass Ussama nicht in einer Höhle auf die Anti-Terror-Koalitionstruppe gewartet hat? Ich ja. Völlig überrascht. Fand’ ich merkwürdig, dass er da nicht rumsaß, und gehäkelt hat und gewartet und dann gesagt: Wow, gut dass ihr kommt und allem ein Ende bereitet. Ist er nun vielleicht doch nach Pakistan ausgebüchst, in den Irak und wer nervt denn noch so? Ich finde ja Spanier recht unangenehm. Ich glaub da isser. Da ruf ich mal Rumsfeld an. Oder ich lass es.
Seien wir doch mal ehrlich – interessiert Sie noch was da unten passiert? Bald istWeihnachten, da haben wir doch wirklich Besseres zu tun als uns Gedanken um etwas zu machen, was wir eh nicht ändern können. Oha! Da ist es wieder – das große Gefühl, ein Opfer zu sein. Das Drolligste, was menschliche Egoüberbewertung je hervorgebracht hat.
Wir sind irgendwie alle Opfer von denen da oben. Von Jehova, Allah, der Regierung, ist doch wurscht und lustig der Gedanke, irgendwem würde etwas zustehen. Ihnen mehr als den Bartmützen in Afghanistan. Warum? Haben sie bessere Organe? Oder einfach nur Schwein gehabt? Wie wären wir, wenn wir da unten geboren wären? Oder noch schlimmer – in Amerika? Wären wir Mädels nicht alle Cheerleader geworden, und die Jungs Baseballer? Die Geburt ist zufällig und was wir mit dem Rest machen eine Sache ungeheurer Anstrengung. Da kann man jeden verstehen, der auf dem Wege aufgibt und zum Opfer wird. Drogen nimmt. Schill wählt. Oder noch mehrere Kriege anzettelt.
Gegen Spanien zum Beispiel. Denn auch ich bin nur ein Opfer meiner Abneigung gegen Knoblauch und laute Männer. Nun vergessen wir mal den Krieg und gehen einkaufen. Irgendwie können wir ja doch nichts ändern.
MORGEN: Wiglaf Droste
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen