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dieser verdammte krieg (42)

SIBYLLE BERG führt heute das Kriegstagebuch der taz.

Auf den Straßen hängen wieder die Weihnachtslichterdinge herum, die Menschen eilen freudig, um zu kaufen, nichts zu spüren von einem angsterfüllten, besinnten Innehalten. Nichts zu sehen von Leutchen, die hektisch diskutierend sich Sorgen um den Bestand von Kapitalismus und Weltordnung machen. Alle kaufen und singen und tanzen, fast noch ausgelassener als vor den, jetzt sag ich’s, jetzt sag ich’s: EREIGNISSEN.

Fast scheint, als würde die kapitalistische Welt, die sich die letzten Jahrzehnte in einem sich ständig ausbreitenden Vakuum der Ereignislosigkeit befand, aufatmen. Endlich geht wieder was. So gelähmt waren wir vor Langeweile und Sattheit. Die Feinde unsichtbar, versteckt in Banken und Börsen, Revolution, aber wogegen, und nichts hat mehr wen schockiert.

Schon wieder nach Thailand fliegen, ach nee, lass mal, Marken ersetzten kurzfristig unsere Seelen, die Love Parade wurde auch irgendwie immer langsamer, und gefickt wird sowieso nicht mehr. Und dann, wumm. Über Nacht stimmte nix mehr. Die Türme und der Milzbrand, und . . . Erstarrt.

Ja, das waren alle mal kurz, aber dann kam wieder Leben in die Bude und, hey, endlich passiert was, scheint es global zu fühlen. Ein Krieg, und vielleicht wird ja mehr draus. Alle lasen auf einmal Zeitung und traten bei Attac bei. Und dann passierte, was immer passiert: Nichts. Der Mensch gewöhnt sich, Chancen sieht er nicht, will er nicht. Alles geht weiter wie immer. Die Börsenkurse sind wieder wohlauf, uff, da sind wir aber froh, und nächstes Jahr wird die ganze Sache vergessen sein. Der Mensch bleibt so blöd wie er immer war. Gut, das es etwas hat, worauf man sich verlassen kann!

MORGEN: Carola Rönneburg

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