die wortkunde:
Innenminister Horst Seehofer (CSU) plant, hie und da ein ANKERZENTRUM in Deutschland zu errichten: Lager, in denen Geflüchtete so lange festgehalten werden sollen, bis ihre Asylverfahren abgeschlossen sind, um abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben zu können. Vorbild sind wohl bestehende Lager in Bayern, wo Geflüchtete von der Bevölkerung isoliert sind. Sie dürfen nicht arbeiten, keine Deutschkurse besuchen und ihre Kinder nicht auf reguläre Schulen schicken.
Der erste Teil von „Ankerzentrum“ ist ein Kofferwort aus „Ankunft, Entscheidung und Rückführung“. Das Wort „Anker“ (Eisenhaken zum Festmachen von Wasserfahrzeugen) stammt vom griechischen „ánkyra“ (Gerät mit gekrümmten Enden) ab. „Zentrum“ (Zentraler Ort, Mittelpunkt) geht auf das griechische Wort für die Spitze eines Zirkelschenkels zurück: „kéntron“.
Euphemismen in der Politik sind stets ein Anlass für erhöhte Wachsamkeit, da sie meist etwas Negatives bemänteln sollen, siehe „Vorratsdatenspeicherung“. Ähnlich vertrauenerweckend wie „Vorrat“ klingt „Anker“: Ein Symbol für Sicherheit und festen Halt, jedoch auch für das Festhalten von etwas Beweglichem – in diesem Fall schutzsuchenden Menschen, die, statt sie zu integrieren, in Einrichtungen verankert werden sollen, die besser als Abschiebe- oder Haftzentren zu bezeichnen sind. Eine Idee, die zuvor schon als „Transitzonen“ nach ungarischem Vorbild diskutiert worden war, die gleichfalls auf die Internierung und Kriminalisierung Geflüchteter abzielt.
Übrigens, im Wikipedia-Artikel zu „Anker“ steht folgender Satz: „Ankern ist im Allgemeinen schwieriger und riskanter als das Anlegen, besonders weil ein Ankerplatz in der Regel weniger geschützt ist als ein Liegeplatz in einem (mit einer Mole geschützten) Hafen und bei ungünstigen Verhältnissen der Anker ausbrechen kann.“ Erik Wenk
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