die wahrheit: Die schwierige Resozialisierung eines Premierministers
Zehn Jahre Amtszeit haben ihn lebensuntauglich gemacht. Tony Blair, der ehemalige britische Premierminister, kommt mit seiner Existenz als Normalbürger nicht zurecht...
Zehn Jahre Amtszeit haben ihn lebensuntauglich gemacht. Tony Blair, der ehemalige britische Premierminister, kommt mit seiner Existenz als Normalbürger nicht zurecht. Bei der Veranstaltung "Zehn Jahre sportliche Leistungen unter der Labour Party", bei denen betuchte Ehrengäste aus Sport und Wirtschaft die marode Parteikasse füllen sollten, klagte er sein Leid.
Vor allem an rote Ampeln könne er sich nicht gewöhnen. Als er noch an der Macht war, galten sie für ihn nicht. Die vorausfahrenden Polizeiwagen sperrten ihm die Kreuzung frei und winkten ihn durch. Jetzt hupen ihn wildfremde Menschen an, wenn er mal wieder vergessen hat, dass diese Zeiten endgültig vorbei sind.
Handys sind für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Als er 1997 in die Downing Street einzog, stellte ihm der Staat ein Handy, aber er benutzte es nie. Ende vorigen Jahres, nachdem er seinen Rücktrittsentschluss gefasst hatte, kaufte er sich ein rotes (!) Handy für die Zeit danach. Aber erst im vorigen Monat schaltete er es zum ersten Mal ein. Sein sechsjähriger Sohn, der bis vor kurzem dachte, Papa leite eine "Lady Party", brachte ihm nun bei, wie man eine Textnachricht versendet. Prompt kam die Antwort: "Wer bist du?" Ein Nichts, so wurde ihm schlagartig klar. Selbst Ussama Bin Laden muss vor ihm keine Angst mehr haben.
Manchmal befehle er im Traum einen Angriff auf den Iran, sagte seine Frau Cherie Booth. Dann wecke sie ihn sanft und erkläre ihm, dass Gordon Brown jetzt all die schönen Kriege führen dürfe, und manchmal weine ihr Gatte daraufhin. Sie hat ihm ein Computerspiel geschenkt, bei dem es darum geht, einen Oberschurken mit einer Laserkanone zu erledigen. Blair hat ihm den Namen "Brown" gegeben, doch weil er nicht so recht mit Computern umgehen kann, behält "Brown" meist die Oberhand. Dann kommen Blair wieder Tränen, und Cherie schmiert ihm Obstreste auf den Körper, um ihn aufzumuntern.
Blair mag das. Bei einem Urlaub in Mexiko schleppte Cherie ihn vor ein paar Jahren ins Temazcal, ein Dampfbad der Mayas, in dem die Blairs an einer Wiedergeburtszeremonie teilnahmen. Die Zeremonienmeisterin Nancy Aguilar gab ihnen Melonen und Papayas, und mit den Resten mussten sie sich gegenseitig einseifen. Zum Schluss sollten sie aus Leibeskräften brüllen und durften sich etwas wünschen. Blair wünschte sich Weltfrieden, sagte seine Frau. Mit dem Einfluss der Mayas ist es nicht mehr weit her.
Oder lag es an Blairs "Giften und Blockaden", die der spirituelle Lehrmeister Jack Temple aus seinen Fußnägeln gelesen hat? Cherie hatte ihrem Mann die Nägel geschnitten und sie vom Guru analysieren lassen. Sie mischte sich auch direkt in die Politik ein. Ihre Feng-Shui-Beraterin Renuka Wickmaratne hatte ihr erklärt, wie man die innerstädtischen Sozialbausiedlungen verbessern könne: Springbrunnen reduzieren die Armut, rote und orangefarbene Blumen senken die Kriminalitätsrate. Fortan war das Labour-Politik.
Mit einer anderen Initiative gegen Kriminalität - keine Haftverschonung für Wiederholungstäter - hat Blair sich womöglich selbst eine Falle gestellt. Wenn er weiterhin rote Ampeln ignoriert, landet er im Knast.
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