piwik no script img

die wahrheitDicke Eier im Gelben Trikot

Kein Pflaster für Andreas Klöten: Testosteron-Klau bei der Tour de France

Der dänische Radrennfahrer Michael Rasmussen karrt zurzeit die dicksten Nüsse durch Frankreich. Bild: AP

Rot leuchtend verschwindet der Sonnenball hinter den Pyrenäengipfeln. Die Masseure haben ihr Öl verknetet, Gebirge von Pasta sind vertilgt, und langsam legt sich Gevatter Schlaf über das Dorf der Tour de France. Die Fahrer liegen in ihren Betten und spielen noch ein wenig an ihren Eiern, aber nur um die Haftung der Testosteron-Pflaster zu überprüfen.

Auch die Teamchefs, Spritzenaufzieher und Urinprobensortierer gleiten sanft in den wohl verdienten Schlummer. Bis auf einen. Bis auf Mario Kummer. Dem sportlichen Leiter des Teams Astana steht der Nachname ins Gesicht geschrieben. Traurig hockt er an der Hotelbar und grübelt in sich hinein. Heute Nachmittag waren noch alle Koffer da, das könnte er schwören beim Schnurrbart von Andreas Klöden, seinem Schützling, der doch die große Runde durch Gallien gewinnen soll. Vorhin war Kummer noch einmal im Mannschaftsbus. Sämtliche Koffer waren hübsch aufgeräumt an ihrem Platz gewesen: Epo, Asthmamittel, Eigenblut, Wachstumshormone, synthetische Adrenaline, genveränderte Ecstasy-Pillen - alles in bester Ord- und Tarnung. Jetzt aber fehlt ein Koffer. Der mit den Hodenpflastern.

Mario Kummer hat in seiner Laufbahn schon einiges erlebt. In den Achtzigerjahren, als der Ostblocksport kaum noch Frauen und Männer, sondern lediglich Pickelmonster hervorbrachte, heimste der gebürtige Suhler zwei Weltmeistertitel und einen Olympiasieg für seinen Apotheker-und-Bauern-Staat ein. Mit geballtem Pillendreher-Knowhow im Gepäck heuerte er bald nach der Wende beim Team Telekom an. Nach der Tour 2006 aber durfte Kummer bei T-Mobile seine Sachen packen, weil er sich während einer Pyrenäen-Etappe um einen Berg verzählt und seinen Jungs einen völlig hirn- und nutzlosen Angriff befohlen hatte, der Klöden wichtige Kräfte kostete und über den sich die Testosterontunte Floyd Landis noch heute totlacht.

Und diesmal gehts abermals daneben. Erst setzt er auf die falsche Zahl, die Seriennull Winokurow, und nun haben sich auch noch die verfluchten Hormonstreifen verdünnisiert. Mario Kummer ordert noch einen doppelten Pastis und lässt die Gehirnzellen tanzen: Zu den augenfälligsten Nebenwirkungen von Testosteronmissbrauch, das weiß er als langjähriger Fachmann, gehören Feminisierung und Aknebildung. Wenn also jemand von der Konkurrenz seinen Koffer gestohlen und sich mit dessen Inhalt den Sack zugeklebt hat, dann werden die Symptome nicht allzu lange auf sich warten lassen. Er muss nur in den nächsten Tagen das Fahrerfeld im Adlerauge behalten. Im Übrigen bekommt Klöti morgen eine Extraportion Asthmamittel in die Nase gesprayt, das muss fürs Erste genügen.

Gelb leuchtet die Sau vom Himmel über den Pyrenäen. Mario Kummer spaziert mit leichtem Pastisschädel durch das Fahrerlager und redet scheinbar ungezwungen mit dem einen und anderen Konkurrenten. Weiter drüben erblickt er einen Rabobank-Pedaleur, der sich eine Wärmflasche an den Unterleib hält. Merkwürdig wölben sich die "a"s im Sponsorenaufdruck auf dem Trikot. Erst jetzt erkennt Mario Kummer das pickelübersäte Gesicht Michael Rasmussens. Auf behutsame Nachfrage wimmert ihm der Däne im Gelben Trikot vor, solche Schmerzen habe er bisher nur vom Hörensagen gekannt, nun könne er endlich seine Frau verstehen, die einmal im Monat das große Jammern bekomme. Mit den geschwollenen Dingern - Rasmussen weist mit spitzen Fingern ins Ungefähre - könne er keinesfalls weiterfahren. Mario Kummer hört teilnahmsvoll zu und ist glücklich. Die Eierpflaster haben genau den Richtigen getroffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • L
    Loris

    was für eine deplatzierte Kolumne. Selten etwas schlechteres gelesen.