die wahrheit: Des Kaisers neues Geschwurbel
Der Dalai Lama rhabarbert sich zurzeit mit seinen Platitüden durch Deutschland.
So ging der Kaiser unter dem prächtigen Thronhimmel, und alle Menschen auf der Straße und in den Fenstern sprachen: "Wie sind des Kaisers neue Kleider unvergleichlich! Welche Schleppe er am Kleide hat! Wie schön sie sitzt!" Keiner wollte es sich merken lassen, dass er nichts sah; denn dann wäre er sehr dumm gewesen
Seit ein paar Tagen herrscht Ausnahmezustand in Hamburg. Der Dalai Lama macht der Stadt seine Aufwartung, und alles ist in hellster Aufregung. Ein Gottkönig ist letztlich mehr als Kaiser, Papst und Ajatollah zusammen. Mir aber geht Andersens Geschichte vom nackenden Potentaten nicht mehr aus dem Sinn.
Nein, um Kleidung dreht es sich nicht in der umgekehrten Parabel über den "Herrscher aus dem Lande des Schnees". Vielmehr darum, dass der Dalai Lama der mit Abstand weiseste und erleuchtetste und redseligste und lustigste und humorvollste aller Kutten-, Soutanen- und sonstigen Sackgewandträger zu sein vorgibt, die da seit je durch die Weltgeschichte schlurfen und anderen beibiegen wollen, was Sache ist.
In Hamburg erteilt "Seine Heiligkeit" derzeit Belehrungen in "Buddhistischer Philosophie und Praxis". Die Dauerkarte kostet 330 Euro, dafür bekommt man Weisheiten der folgenden Sorte zu hören: "Ein Bewusstsein wird dadurch bestimmt, dass ein Objekt erscheint, unabhängig davon, wie das Objekt erscheint, korrekt oder falsch. Zum Beispiel tritt bei einem Bewusstsein, das fälschlich an inhärente Existenz glaubt, die Erscheinung von inhärenter Existenz auf. Da diese Erscheinung dem Bewusstsein tatsächlich erscheint, wird gesagt, dass es in Bezug auf diese Erscheinung gültig ist; es wird sogar gesagt, dass es eine unmittelbar wahrnehmende gültige Erkenntnis in Bezug auf diese Erscheinung ist. Somit ist selbst ein verkehrtes Bewusstsein, das an die inhärente Existenz seines Objekts glaubt, gültig in Bezug auf die Erscheinung von inhärenter Existenz."
Auch frei formulierte Worte sind zu hören. Auf die Frage etwa, was Muslimen zu raten sei, die hierzulande immer mehr unter Generalverdacht gerieten, meinte "Seine Heiligkeit": "Ich denke, es ist der richtige Zeitpunkt, ernsthaft umzusetzen, was der Koran sagt. Dann werden ihre Nachbarn letztlich merken, 'Ah, diese Muslime sind ziemlich friedfertig und sehr gute Bürger der Gesellschaft'. Zwischenzeitlich, wenn jemand angreift, dann verteidigt euch sehr sorgfältig. Ha ha ha. Ihr wisst, dass die Anwendung von Mitgefühl sehr grundlegend ist. Aber wenn ein tollwütiger Hund kommt, und wenn ihr dann sagt 'Mitgefühl, Mitgefühl', dann sage ich, das ist töricht."
Wie kommts, fragt man sich einigermaßen verdattert, dass einer, der solche Sätze absondert, zu den mit Abstand Weisesten und Erleuchtetsten aller Zeiten gerechnet wird? Spinnen die alle, die Dalai-Lama-Fans? Oder ist das ein Psychophänomen wie der indische Seiltrick oder eben der nackende Kaiser?
Im Westen trat der 14. Dalai Lama erst Ende der Achtzigerjahre in Erscheinung, als er durch die rastlose Public-Relations-Arbeit der Grünen-Politikerin Petra Kelly in Betracht für den Friedensnobelpreis 1989 gezogen wurde. Eine eigene Leistung dazu hatte er nicht erbracht, weder publizistisch noch politisch noch sonst wie. Mit der Verleihung des Preises an ihn konnte der chinesischen Unterdrückungspolitik - Stichwort: Massaker auf dem Tiananmen-Platz im Juni 1989 - eine demonstrative Absage erteilt werden. Damit war der moralischen Pflicht Genüge getan, die Wirtschaftsbeziehungen zu Peking konnten umso ungehinderter weitergepflegt werden.
Die dem Nobelpreis folgenden Auszeichnungen, Ehrungen und Preise für "Seine Heiligkeit" zeigten eine sich selbst rasant aufschaukelnde Dynamik nach der Devise: "Geben wir ihm auch einen Preis, können wir uns im Glanze all der anderen Preise mitsonnen, die er schon bekommen hat." So konnte der Dalai Lama bis heute über 50 Ehrendoktorate teils hoch renommierter Universitäten ansammeln, ohne auch nur einen einzigen Satz gesagt oder geschrieben zu haben, der einigermaßen Sinn ergab. Vielmehr handelt es sich bei seinen Reden um in jahrzehntelanger Übung auswendig gelernte Buddhistenphilologie, die für nichts und niemanden irgendwelche Relevanz in sich trägt und lediglich ein unglaubliches Plattitüdengeschwätz mit dem Wortschatz und der Grammatik eines Fünfjährigen darstellt. Im September übrigens verleiht dann als erste deutsche Hochschule die Universität Münster dem "Ozeangleichen Lehrer" die Ehrendoktorwürde.
"Aber er hat ja gar nichts an!", sagte endlich ein kleines Kind. "Hört die Stimme der Unschuld!", sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das Kind gesagt hatte. "Aber er hat ja gar nichts an!", rief zuletzt das ganze Volk. Aber der Kaiser dachte bei sich: "Nun muss ich das aushalten." Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.
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