die wahrheit: Frankfurter Allgemeines Jägerlatein
Kürzlich kam die FAZ mit einem 16-seitigen, als Beilage getarnten Anzeigen-Container heraus. Thema: "Jagd". Auf dem Titelblatt als Blickfänger ein röhrender Hirsch...
... Bei dem für die Themenbeilage zuständigen Unternehmen "Mediaplanet" - der nach eigenen Angaben "führenden Medienfirma" - hat man waldumpflügende Ideen. Gibt es doch hierzulande 348.000 Jäger, die, wie es heißt, "aus allen sozialen Schichten" stammten: "Beamte, Angestellte, Handwerker und Arbeiter". An Letztere wenden sich die zweieinhalb Seiten Anzeigen für die waidmannsgerechten "Jagdgefährten" Jimny Ranger, GranVitara und Pajero von Mitsubishi und Suzuki zu "Jäger-Sonderpreisen" zwischen 20.000 und 40.000 Euro. Die Autos bieten Platz für "bis zu sieben Waidmänner - oder auch manchen Bock". Zwar gibt es auch etwa 35.000 Jägerinnen, aber die sind in den Allrad-Bolliden mit jagdgerechter "Lederausstattung fürs komplette Waidmannsglück" nicht vorgesehen.
Um die psychische Innenausstattung des jagenden Volksteils kümmerte sich das "Institut für Rechtspsychologie" in Bremen, und das fand heraus, was zum "Charakter der Jäger gehört": "Sie sind in ihrem Leben sehr zufrieden, können Aggressionen überdurchschnittlich gut kontrollieren, sind äußerst gewissenhaft und bevorzugen ein traditionelles Wertesystem."
Dieses System stammt wie die Jagd aus "prähistorischer Zeit" und bürgt dank Alter für Haltbarkeit wie "der uralte menschliche Jagdinstinkt". Für eine 22-jährige Germanistikstudentin, die als Neunjährige "eine Rotte von 20 Wildschweinen" sah, wurde das Erlebnis zum finalen Halali fürs Jagen: "Neben dem Jagen muss ich mich um mein Studium und meinen Freund kümmern." Eine 46-jährige Zahnärztin aus Wiesbaden hat Studium und Freund hinter sich und widmet sich außer "Traditionen" ("Jagdhornblasen") nur noch dem Wertesystem: "Das ist besonders wichtig in einer Zeit, in der viele Werte verfallen." Genau - "jetzt ist Keilerzeit!", das heißt: Zeit für einen Schluck "Keilers Kräuterlikör mit original Flachmann" und Deppen-Apostroph auf dem Etikett.
Ludger Beerbaum ist zwar nicht Jäger, aber als Springreiter kümmert er sich um "mutterlose Seehunde" und alles, was mit Tieren zusammenhängt. "Zusammen" wie Pferd und Sattel, Pech und Schwefel, dumm und schön: So wie das Reiten ist auch das Jagen "ein Stück gelebte Harmonie zwischen Mensch und Tier Gegen das Tier geht nichts! Das gilt auch für andere Zusammenhänge menschlichen Zusammenlebens mit und in der Natur." Die Wildschweine jedoch hat wieder kein Schwein gefragt, was sie von "innovativer Präzisionsoptik" und Zielfernrohren halten im "Zusammenleben" mit den Jägern. Aber der Hersteller Carl Zeiss weiß, wofür ein Zielfernrohr bürgt: für "das perfektionierte Seherlebnis" und für "ein wertvolles Stück Freiheit".
Wie hängen Autofahren und Jagen zusammen? Autofahrer erledigen pro Jahr 220.000 Rehe, 200.000 Hasen, 10.000 Wildschweine, 8.000 Stück Rotwild und noch allerlei Kleingetier. Sachschaden: eine halbe Milliarde Euro. Das letzte Wort in der FAZ-Beilage "Jagd" hat deshalb der ADAC mit einem ganzseitigen Versicherungsangebot.
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