die wahrheit: Sage mir deinen Namen
Sage mir deinen Namen, und ich sage dir, wie du heißt.
Wer wie ich in einer Zeitungsanzeige "Hilfe zur Leberwurst" statt "Hilfe zur Lebenskunst" liest, hat vermutlich zumindest irgendeine Art von Hilfe nötig, wenn ich mir auch weder die eine noch die andere Sorte Beistand vorstellen mag.
Lebenskunst sollte doch wohl müheloses Gelingen bezeichnen, sonst ist es keine - wer dazu angeleitet, gestützt und geschoben werden muss, kann es gleich vergessen. Merkzettelchen am Bett mit "Morgens aufstehen, dann als Erstes gute Laune haben" bringen keinen neuen Schwung ins Leben. Und Hilfe zur Leberwurst leistet sowieso andauernd meine Schlachtersfrau. "Ich hätte gern Leberwurst" - "Welche?" - "Äh, Braunschweiger?" - "Ich dachte, Sie wollten Leberwurst." Gedemütigt stehe ich da, kann Gekochte nicht von Geräucherter unterscheiden wie der letzte Vegetarier und bin überhaupt ein rechter Hans Dumm.
Ich mag es nicht, wenn Esswaren Namen haben. Gottseidank sprechen sie jedenfalls noch nicht, aber es ist unwürdig, in einer Bäckerei lautstark nach Kornknackern, Weltmeisterbrot oder der heißen Heidekruste verlangen zu müssen. "Das da!" reicht für meine Einkaufsbeziehungen vollkommen aus, aber nicht für die der Verkäuferinnen. Ich kenne einen sensiblen Menschen, der den täglichen Backwarenverzehr stark eingeschränkt hat, weil er nicht jeden Morgen "Vier Omabrötchen, bitte!" sagen mag.
Produktbezeichnungen mit Augenzwinkern sind allerdings noch schlimmer als die Dampfofenlyrik. Bei Ikea führen Küchen Namen wie Rigtig und Kugeln heißen vermutlich Kulla. Eine Art Babyschwedisch für Deutsche wabert einlullend durch den Verkaufsraum, erinnernd an den schönen alten chinesischen Begriff für Spinat - Ku-ka-ke. Kinder, so denken die Verkäufer, mögen das, und Kunden sollen Kinder werden im Wunderland voll Kantig (Regal), Hella (Lampe) und Kvadrat (Quadrat) oder so ähnlich. Und bloß die Teelichter nicht vergessen.
Andererseits ist es auch ein auf dem Lande weitverbreitetes Missverständnis, seine Kinder nach Ikea-Möbeln zu benennen. Tjade ist kein Name, bestenfalls ein Geräusch oder ein Couchtisch. Ikea dagegen wäre eigentlich kein schlechter Vorname, das wirkt schon wieder neutral. Ikea-Marie Schulze, ja, das ginge. Danach wird der Rest der Familie neu benamst. Kratzö, der Kater, Wuffa, der Hund, Wischö, die Mama. Der Papa könnte dann auch Rigtig heißen, genau wie die Küche.
Ich sollte auch ein Seminar zur Lebenskunst geben, fällt mir dabei ein. Benennen Sie Ihre Umgebung neu, und Ihr Leben wird eine andere Qualität bekommen! Huup, das Auto, Aua, die Ecke, Bummsti, der Unfall. Jetzt aber Birnö, den Kopf, hoch! Denn es ist alles nur eine Frage der Einstellung.
Man muss positiv denken (Schwurbel, der Gedanke) und sollte sich nicht von jeglicher Widrigkeit gleich niederdrücken lassen (Chaoti, die Steuererklärung). Nennen Sie doch heute Ihre Depression einfach Detlev und freunden Sie sich mit ihr an - dann wird Ihr Leben eine neue Dimension bekommen, oder wie wir früher sagten: Ich bin schön, ich bin klug, ich bin stark. Und das habe ich alles selbst entdeckt!
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