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die wahrheitbahnvorstellungen

Die Bahn musste bei ihrer verhassten Schaltergebühr den Schalter wieder umlegen und nach Protesten den Bedienzuschlag zurücknehmen.

Die Bahn musste bei ihrer verhassten Schaltergebühr den Schalter wieder umlegen und nach Protesten den Bedienzuschlag zurücknehmen. Auf die einfachste Möglichkeit, ohne Zuschlag zuzuschlagen, waren die Bahnstrategen auch so schon gekommen, sie erhöhen uns Fahrgästen zum nächsten Fahrplanwechsel die Preise um 3,9 Prozent. Sie hätten die Preise selbstverständlich auch um 9,9 Prozent anheben können, hatten aber schon den Bedienzuschlag eingeplant. Dumm gelaufen!

Vielleicht wäre alles gut geworden, hätte man bei der Bahn den "Bedienzuschlag", die wortgewordende Bedrohung des hoffnungsvollen Reisenden, freundlich "Kleines Beratungsentgelt" oder "Plauderobulus" genannt. Dann hätte man auch versuchen können, dass die Krankenkassen, die ja sonst auch alle möglichen Therapien bezahlen, den kleinen Betrag übernehmen. Denn ist nicht ein gut geführtes Beratungsgespräch immer auch so etwas wie eine kleine Gesprächstherapie?

Bleibt diese schöne Einnahmequelle nun erst einmal verschlossen, sollte der Deutschen Bahn trotzdem klar geworden sein, wie wichtig eine sorgfältige Wortwahl im Umgang mit Kunden heutzutage ist. Der Führer der Zugführer heißt ja auch gemütlich Bahnchef und nicht Zugführerführer. Merkwürdigerweise heißt allerdings ein Teil seines Personals fälschlich Zugbegleitpersonal, obwohl es den Zug ja gar nicht begleitet, sondern nur mitfährt. Auf diesen eigentümlichen Begleitumstand sollte an dieser Stelle einmal hingewiesen sein.

Und ebendiesen Reisebegleitern war schon vor dem großen Bedienzuschlag-Debakel etwas Wichtiges aufgefallen: Der ICE Walhalla zum Beispiel wurde seltsamerweise von den Reisenden gemieden, und auch den IC Hieronymus Bosch enterte nur, wer unbedingt musste. Darauf konnte sich der grobschlächtige Bahnchef Hartmut Mehdorn lange keinen Reim machen, bis er vor einiger Zeit eine gute Stunde zu früh auf dem Bahnsteig des Berliner Hauptbahnhofs stand und auf den IC Wolfgang Borchert wartete. Dabei fiel ihm auf, dass die anderen Reisenden auch auffällig früh zum Bahnsteig gekommen waren. Sie hatten bei Wolfgang Borchert dessen Erzählung "Draußen vor der Tür" vor Augen gehabt und wollten vermeiden, dass der Zug ohne sie losfuhr. Das war des Rätsels Lösung: Der Zugname beeinflusst das Reiseverhalten der Fahrgäste! Kein Wunder, dass im EC Paganini nie, nie jemand zahlen wollte.

Rigoros werden jetzt alle Zugnamen gestrichen, die an Scheitern und Katastrophen denken lassen: Schepperten vorher die ICE, IC und EC Stoß, Macke, Bruchsal, Plattling und Sauerbruch halbleer durch die Gegend, stellt sich mit den neuen Namen bei den IC Glückstadt, EC Freud und ICE Gustav Gans das zufriedene Publikum bestimmt wieder ein. Der IC Höllental wird dann zum IC Jena-Paradies und der Schlafwagen "Fucking" ist bereits jetzt ein potenzieller Renner! Im EC Blauer Enzian und ICE Münchner Kindl stieß man schon mal auf den großen kommenden Erfolg an.

Jetzt muss nur noch der abweisende Name von Bahnchef Hartmut Mehdorn ersetzt werden. Wie wäre es denn mit Urst Wohlfahrt?

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