die wahrheit: Wut auf die da oben

Der Club der oberen Zehntausend und die Imageschäden durch die Finanzkrise.

Die Superreichen haben es in der Krise derzeit nicht leicht, sie werden einfach im Regen stehen gelassen. Bild: ap

Die jüngsten Ereignisse auf den Finanzmärkten, vor allem aber die versenkten 500 Millionen bei der staatlichen KfW-Bank sowie die eifrige Rettungsaktion der US-Regierung, die die amerikanischen Steuerzahler 700 Milliarden kosten und den Banken 700 Milliarden bringen soll, haben für viel böses Blut gesorgt. Überall wird auf den Kapitalismus und "die da oben" geschimpft. Was aber sagen die da oben dazu?

Wir treffen uns mit Dr. Ulrich von Bender-Wolkenrath vom Club der oberen Zehntausend und befragen ihn zu den Geschehnissen. Vom Sprecher des exklusiven Vereins mit Sitz in Hamburg möchten wir wissen: Befürchtet er dauerhafte Imageschäden oder gar schmerzhafte staatliche Interventionen, die ihm und seinesgleichen die Geschäfte schwieriger machen?

"Nein", sagt der hochgewachsene Mann im Maßanzug nachdenklich. "Wie kommen Sie darauf? Dann haben wir halt mal ein schlechtes Image. Wir haben so wenig Kontakt zu diesen Leuten, die da jetzt angeblich herumnörgeln - das macht, glaube ich, keinem von uns was. Der eine oder andere hat vielleicht Kinder, die sich in der Schule irgendwelche Sprüche anhören müssen. Na, das soll ihm eine Lehre sein. Was schickt er seine Kinder auch auf eine öffentliche Schule." Und die Presse? In den Leitartikeln und Kommentaren zieht ein strenger Ton auf, geben wir zu bedenken. Überall ist die Rede von der Mitverantwortung des Bankensektors, überall wird gefordert, die Finanzmärkte an die Kandare und die Reichen in die Pflicht zu nehmen.

"Ach", schmunzelt er. "Man muss da trennen: Diese Investmentbanker und Spekulationsheinis gehören ja gar nicht zu uns. Das sind meistens doch nur Angestellte, auch wenn sie zwischendurch mal zu ein bisschen Geld kommen - typische Neureiche eben, ohne jeden Sinn für Benimm. Denen gehts jetzt vielleicht mit neuen Vorschriften an den Kragen, uns ist das aber egal."

Als wir fragen, was das denn heißen soll, verengen sich Dr. von Bender-Wolkenraths Augen zu Schlitzen: "Wir sprechen nicht gern über Geld. Im Unterschied zu denen. Aber zurück zu diesen Pressefritzen: Sollen die doch ruhig mit ihrem moralischen Zeigefinger herumfuchteln - wer gibt denn auf deren Meinung was? Das sind doch alles Menschen ohne Durchsetzungsvermögen und vor allem: ohne Vermögen. Entscheidender ist doch, dass die Jungs in der Politik ganz andere Signale aussenden, in Amerika der Bush zum Beispiel. Und der Steinbrück bellt doch nur, ohne zu beißen. Wobei ich allerdings einige Journalisten von meinem Verdikt ausnehmen muss: Die Kerle bei Jagd und Hund und bei der Yacht, die machen schon eine ganz ordentliche Arbeit."

Aber ist das nicht gemein, dass die, die den Karren vor die Wand gefahren haben, sich dafür jetzt auch noch die Nase vergolden lassen?

"Ach ja", lächelt Dr. von Bender-Wolkenrath, "schon, aber das war doch immer so. Ob Pest, Krieg oder Rot-Grün - wir oberen Zehntausend profitieren am Ende immer von allem. Daran sollten sich die Leute lieber mal gewöhnen, statt sich mit klassenkämpferischen Parolen ihre Laune und ihre Kauflust zu verderben. Es ändert ja auch nichts, oder sehen Sie irgendwo jemanden, der uns ernsthaft was wegnehmen wollte?"

Wir verweisen auf Oskar Lafontaine und die Linkspartei. Dr. Bender-Wolkenrath bekommt einen enormen Lachanfall, und wir müssen das Interview für zehn Minuten unterbrechen.

"Nein, sehen Sie", sagt er, nachdem er sich wieder gefangen hat, "sobald die irgendwo Einfluss bekommen, reden wir mit denen kurz mal Tacheles, natürlich durch die Blume, und drohen zum Beispiel mit Verlagerung von Kultursponsorengeldern oder irgendwelchen Investitionen, und - schwuppdiwupp - sind die auch wieder vernünftig."

In unseren Ohren klingt das ebenfalls einleuchtend. Am Schluss interessiert uns aber noch die Frage, ob der Club wirklich immer aus haargenau 10.000 Mitgliedern besteht.

"Ja klar, immer wenn wir ein neues Mitglied aufnehmen, muss ein anderes mit minderem Marktwert gehen", grinst Dr. Bender-von Wolkenrath. "Nein, war nur ein Spaß. In Wirklichkeit sind wir viel großzügiger, als alle immer annehmen. Man muss auch bedenken, dass die meisten unserer Mitglieder einander aus den Aufsichtsräten, aus dem Skiurlaub in St. Moritz oder von Familienfesten kennen. Wenn da jemand mal eine kurzfristige Durststrecke hat - Gott, was solls! Wie mein alter Englischlehrer im Internat immer sagte: Es gibt kaum ein Problem, das sich nicht durch die liebe Verwandtschaft, einen Topf voller Gold oder das Hinabstoßen eines Feindes von einer Klippe bei Mondlicht lösen ließe."

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kari

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