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die wahrheitAllein im Dunkeln

Skandale unserer Zeit: Deutsche Bahn wirft Mädchen mit Cello aus dem Zug.

Kürzlich wollte uns die Tagespresse einen Skandal verkaufen, der alle Achsbrüche bei ICE-Waggons der Deutschen Bahn in den Schatten stellen sollte: "Schaffnerin setzt Mädchen im Dunkeln aus." Eine Zwölfjährige, die ursprünglich auf dem Weg zu einer Rostocker Musikschule war, sei wegen einer fehlenden Fahrkarte aus dem Zug befördert worden und habe dann "mit dem schweren Cello auf dem Rücken fünf Kilometer durch die Dunkelheit nach Hause marschieren" müssen.

Bei Lichte besehen kann jedoch von "Aussetzen" nicht die Rede sein. Das Kind wurde an einem normalen Bahnsteig eines regulären Vorortbahnhofs aus dem Zug gewiesen und konnte ganz einfach über asphaltierte und ihm bekannte Straßen nach Hause laufen. Selbst das Cello hatte es behalten dürfen, das zur Not als Brennholz für Helligkeit und Wärme in der ach so dunklen Nacht auf dem ach so langen Weg hätte sorgen können.

Fünf Kilometer: Gottchen, ich muss gleich schluchzen! Was ist bloß mit der Jugend los? Da lachen ja die Hühner. Allein unser Schulweg war früher dreimal so lang: Jeden Morgen barfuß durch den Tiefschnee über einen lawinengefährdeten Berghang und abends etwas schneller zurück, wenn die Hatz eines Wolfsrudels unsere Schritte wundersam beflügelte. Der Sommer war eigentlich unangenehmer wegen der unberechenbaren Erdrutsche sowie des reißenden Stroms, der im Winter zugefroren war.

Und hat es uns etwa geschadet? Ja. Aber es hat uns auf eine gute Art geschadet. Es hat uns hart gemacht und böse, und genau das sind die Eigenschaften, die man in der heutigen Welt unbedingt braucht. Und nicht ein Cello!

Ein Cello, Mann, ich muss gleich kotzen! Playstation, Cello, Internet - wo bleibt da die Fantasie? Wir haben früher tagelang froh mit einem Stück Holz gespielt, ach was, wir haben uns erst ein Stück Holz im Wald gesucht und uns dann vorgestellt, das Stück Holz wäre ein Schloss im Himmel und da wohnen so Elfen und Trolle und die haben sich bekriegt und so. Jahrelang haben wir mit so einem Stück Holz gespielt. Oft haben wir uns sogar das Stück Holz nur vorgestellt, wenn mal keins da war, und es war oft keines da.

Kann auch sein, dass in der Natur vorkommende Drogen eine Rolle gespielt haben dabei, kann sein. In jedem Fall glaube ich uns weitaus glücklicher als diese Cello spielenden Nichtsnutze heutzutage: Immerhin hatten wir viel Bewegung an der frischen Luft, und die Dunkelheit des nächtlichen Schulwegs beschirmte uns gnädig vor dem Anblick der zahllosen am Wegesrand baumelnden Tagediebe und Schwarzfahrer.

Da sind wir nämlich genau beim Punkt. Das Mädchen besaß keinen gültigen Fahrschein und hatte obendrein sein Geld vergessen. Tja, vergessen: Was man nicht im Kopf hat, muss man eben in den Beinen haben; eine uralte Wahrheit, die sich von Moses über Napoleon und Stalingrad bis hin nach Rostock zieht.

Also klarer Fall: Raus damit! Es gibt nun mal Regeln in unserer Gesellschaft, an die sich jeder halten muss. Zum Glück wehrte die unter heiligen Zugzwang geratene Bahnbedienstete den Versuch mitreisender Kollaborateure ab, ihren Erziehungsauftrag fahrlässig zu torpedieren, indem sie anboten, das Geld auszulegen und so das Verbrechen des Kindes quasi zu verschleiern. Im Grunde hätte man die Halunken allein dafür allesamt vor die Tür setzen müssen - das ist gewiss das einzige Versäumnis, das man der Schaffnerin eventuell noch vorwerfen könnte.

Auch in den Folgetagen wurde von der Hetzpresse noch seitenlang nachgekartet, als gäbe es nichts Wichtigeres in Kabul oder Washington. So habe das Mädchen vor seiner "Aussetzung" einem Behinderten geholfen. Na und? Das ist ja wohl selbstverständlich!

Doch anstatt einfach mal die Schnauze zu halten, spielen die Schmierenblätter ganze Bevölkerungsgruppen gegeneinander aus. Als könne man das sozialfeindliche Delikt der Jugendlichen gegen ihren rudimentären Ausdruck menschlichen Restempfindens aufrechnen. Was für ein ekelerregend schmalziges Rührstück hier konstruiert wird, das mit der Tat nicht das Geringste zu schaffen hat! Der gut geschmierten Propagandamaschine fehlt allenfalls noch ein montiertes Zeitungsbild, auf dem die Schülerin einem sterbenden Zwergkaninchen die Pfote hält: Joseph Goebbels meets Rosamunde Pilcher.

Im Nachhinein wurde gar auf widerwärtige Weise polemisiert, nach den Bestimmungen der Bahn dürften Minderjährige nicht aus dem Zug verwiesen werden. Meine Güte, das hat die Schaffnerin eben nicht gewusst! Daher hat sie logischerweise schlicht nach dem gesunden Menschenverstand gehandelt, der sagt: Raus damit! Auf der Stelle!

Die ganze absurde Posse macht doch schließlich mehr als deutlich, dass solche dekadenten Bestimmungen schnellstens geändert gehören. Das sollte zurzeit die vordringlichste Aufgabe der Bahn sein - scheiß auf irgendwelche Radachsen.

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15 Kommentare

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  • P
    Pjack

    Meiner Meinung nach ist dieser "Artikel" unterste Schublade, von geschickter Ironie keine Spur.

    Das Niveau hat sich bei der taz wohl weinend unterm Bett verkrochen...sowas hätte ich nicht einmal von der Bild erwartet.

  • G
    Gretchen

    Ehrlich gesagt, finde ich hier die Entrüstung als genau das gleiche Echo, wie die se überzogen moralisierende Show, wie man nur ein Mädchen auf die Straße setzen konnte. Vielleicht täusche ich mich, aber ich sehe hier ebensowenig Sympathie für die bahn oder die Schaffnerin, nur die Aussage, dass das aus Sicht der Schaffnerin eine normale menschliche Reaktion war, die durch die Presse als verwerflichste Tat aller Zeiten ausgelegt wurde und der Eindruck entsteht, als hätte man sie aus dem fahrenden Zug geworfen. Das könnte vielleicht in einem Kirchenblatt stehen, aber nicht in einer Tageszeitung! Aber Kinder sind ja Heilige in unserer Zeit. Das merkt man öfter im Supermarkt, wenn die kleinen Wonneproppen auf dem Boden liegen und ein fremder Erwachsener sich herniederbeugt und sagt: "Könntest du bitte aufstehen, ich möchte hier vorbei." Da reizt es mich auch manchmal ..., naja, das sage ich hier lieber nicht, um nicht wieder eine Welle lautstarker Entrüstung auszulösen. Abgesehen davon, wurde die Schaffnerin in dem Artikel ja genauso aufs Korn genommen, zumindest hat das meine nicht so hohe Meinung über die Bahn mit ihren manchmal polizeiähnlichen Schaffnern nicht beeinträchtigt. Deshalb muss man aber nicht den Moralapostel spielen.

  • C
    chris

    Vor einiger Zeit hatten wir das taz-abo gekündigt, da tendenziöse Stellungnahmen, statt erwarteter Hintergründe die Spalten füllten. seit dem gibt es keine Tageszeitungen mehr im Haushalt, was nicht sehr schmerzvoll als Erfahrung ist. Trotzdem möchte ich mich so manchesmal informieren. Dieser Artikel hier verleitet mich aber dazu, nun schnellst möglich, obwohl erst seit einer Woche eingerichtet, auch die taz-online aus der sogenannten Favoritenliste herauszunehmen.

    Auch wenn es Ironie sein soll, ohne Zweifel sind solche Stilelemente eingebracht worden, bleibt, sofern es einen gab, der Anspruch hohl. Gab es einen Anspruch...irgendsone Metaebene...oder doch die Schaffnerin aufs Korn genommen, als Paradestück für DIE kleinkakerischen Deutschen. Ich habs satt, solch kleinkrümeligen Meinungen zu lesen.

  • GM
    Gretchen Meier

    Ich find den Artikel echt gut, so nachdem ich den ganzen Tag am Computer saß, war das so richtig erheiternd! Denke der Artikel hatte gar nicht den Anspruch für irgend jemanden einzustehen oder irgend jemanden bloß zu stellen. Er nimmt auch nicht die Bahn in Schutz, auch nicht das Mädchen und erst recht nicht die Gesellschaft mit Ihren vielen Kritikern. Es ist diese Selbstironie, bei der man alles mögliche wiederfindet, was so typisch deutsch ist: Entrüstung, den anderen erziehen wollen, damals ..., heutzutage ..., Moralisierendes usw. Man wartet ja doch insgeheim auf eine Stellungnahme, auf welche Seite sich der Autor schlägt, und sie kommt einfach nicht!

  • Z
    zugbremser

    Nenn' mich Spaßbremse, nenn' mich humorlos, nenn' mich zu blöd, um Satire/Ironie zu begreifen - es soll mir egal sein. Dieser Artikel hier ist die Zeit nicht wert, die ich zum Lesen brauchte. Ich wüsste gern, was der Autor sagt, wenn sich die Bahn, welche er hier ja so hoch in den Himmel hebt, ein solches Verhalten bei SEINER Tochter erlaubt. Ist das dann auch noch okay? (Was er täte, wenn der Kleinen unterwegs was passierte, will ich gar nicht groß fragen.) Nimmt er die Zugbegleiterin dann auch noch in Schutz? Gut möglich, dass diese nicht von dem "Rausschmeiß-Verbot" für Minderjährige wusste. Nun weiß sie es auf alle Fälle. Ein Blick in ihre Dienstanweisung wäre möglicherweise auch hilfreich gewesen. Kann sich der Autor auf die "Unwissenheit-schützt-vor-Strafe-Amnestie" berufen, wenn er etwas macht, was ein absolutes No-Go ist? Dann ist ihm mein Neid sicher!

     

    Fazit: Ich schließe mich LAZARUS, PERLDUDE und ganz besonders BLACKJESTER an. Wenn die Bahn so weitermacht, wird sie ihren schlechten Ruf nie los!

  • P
    Polle

    Hammerlustig, ich habe wirklich laut lachen müssen. Grandios, einfach, schöner Humor

  • M
    mausi

    Gegen @BlackJester ist @Lazarus wahrscheinlich sogar noch Ironieexperte... Tut tut.

  • G
    Grossartig

    Schon lange nicht mehr so gelacht, danke! Endlich mal eine Glosse, die ihren Namen verdient. Und der Schaffnerin sollte man doch noch eine Medaille verpassen.

  • B
    BlackJester

    Das ganze soll ja wohl Satire sein, und das Aufbauschen eines eher unwichtigen Vorfall (Für das Mädchen wohl eher nicht!) in der Presse kritisieren. Aber das Ganze ist einfch nur plump und trifft den Falschen: Das Mädchen, dass aus dem Zug geworfen wurde, und nicht die Bahn und deren Angestellten, die von Tuten und blasen keine Ahnung haben. Naja, von Tuten vielleicht, wie einige generverte Anwohner des Rheintales bestätigen können: jeder Güterzug, und das sind etliche, Tutet, bei der Einfahrt in einen der vielen Tunnel.

    Diese versuchte Satire nimmt die Bahn in Schutz, anstatt diesen vorfall zu nutzen, sie bloßzustellen.

    Thema verfehlt....

  • P
    perldude

    Ein niveauloser Artikel.

    Da hätte ich mehr erwartet.

  • D
    Dako

    Lazarus - ist Dein Ironiedetektor aktiviert?

  • W
    Wrlfxszr

    @Lazarus: Ironie ist nicht deine Stärke, oder?

  • TN
    Tut nichts zur Sache

    Die böse böse Bahn.

    Bahn-Bashing muß doch unglaublich Spass machen.

  • U
    Unwort

    Bis kurz von dem Schluss war ich so richtig begeistert, dass ein Autor es endlich mal schafft, im Zuge einer Betrachtung auf diesen einen, diesen in jüngerer Zeit immer und immer wieder gebrauchten Begriff zu verzichten. Und dann, ja - im allerletzten Satz kam's dann eben doch, das vermutliche Unwort des Jahres: "scheiß". Geht's wirklich nicht ganz ohne?

  • L
    Lazarus

    selten soviel Unsinn gelesen sorry