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die wahrheitPalermo schießt zurück

Kann ein Kinofilm psychische Störungen hervorrufen? Wim Wenders beweist es.

Albtraumauslöser Wenders. Bild: reuters

Ich habe geträumt heute Nacht: Ich war Kaffee trinken mit Wim Wenders. Wir trafen uns in einem Antiquitätengeschäft, das auf Schnitzkunst aus aller Welt spezialisiert ist und auf kunstvoll verzierte Süßspeisen aus Früchten, Creme und Teig. Meine Mutter saß neben mir am Tisch. Sie bestellte etwas, das sich Schnitzel nannte, aber wie alles aus Früchten, Creme und Teig bestand. Allerdings sah es frittiert aus.

Dann kam Wim Wenders und setzte sich zu uns; auf ihn hatten wir gewartet. Er bestellte auch ein Schnitzel. Kaum hatte er seinen ersten Bissen zu sich genommen, stand ich plötzlich im Biologiesaal meines alten Gymnasiums und hielt ein langes Referat über Suchtkrankheiten, ganz wie damals in der zwölften Klasse. Es kam sehr gut an, auch weil viele im Plenum den Inhalt bestens nachvollziehen konnten.

Auf einmal entdeckte ich Wim Wenders im Publikum. Er blickte mich aus ausdruckslosen Augen hinter seiner leicht getönten Filmschaffenden-Brille an. Dann begann er, wie irre zu grinsen. Der Mann verfolgte mich in meinen Träumen. Ich kam mir vor wie Campino in Wenders neuem Film. Da wird die Tote Hose auch ständig von Dennis Hopper in seinen nervtötenden Albträumen verfolgt und mit Pfeilen beschossen. Hopper wäre mir lieber gewesen, auch wenn er den Tod persönlich spielt.

Jetzt war es also so weit: Meine Mutter hatte mir immer prophezeit. "Wenn du so spät noch diese grusligen Filme anschaust, wirst du nur Albträume bekommen." Das ist nie passiert - bis heute. Aber wenn sie geahnt hätte, dass sie so falsch liegt. Kein Peter Jackson, Sam Raimi, John Carpenter oder irgendein anderer Horrorregisseur hat es geschafft, mir Albträume zu machen. Da muss schon ein Wenders kommen. Und dann trinkt meine Frau Mama in meinem Traum auch noch Kaffee mit ihm. Sie würde wohl sagen: "Siehst du, hab ich doch recht gehabt." Offensichtlich kann man von miesen Filmen, auch wenn sie nur unfreiwillig gruslig sind, durchaus Albträume bekommen.

Aber wieso erst jetzt? Ich habe schon ziemlich früh grusliges Zeug gesehen. Als ich etwa zwölf war, habe ich mit meiner Mutter und einem Freund zusammen "Die Fürsten der Dunkelheit" von John Carpenter angeschaut. Da zerfällt immerhin Alice Cooper in alle Einzelteile und wird komplett von Insekten gefressen. Das passiert mit Campino in Wenders "Palermo Shooting" nicht, aber trotzdem verfolgt mich die Handlung bis in den Schlaf. Genaugenommen hat der Film sogar das Schicksal des Fotografen, den Campino spielt, auf mich projiziert: In mir steigen auch schon wirre Traumsequenzen auf, in denen ich verfolgt werde.

Kann es sein, dass dieser Kinofilm psychische Störungen hervorruft? Hat Wim Wenders subliminale Botschaften eingebaut, die den Zuschauer zu einer träumerischen Vergangenheitsbewältigung zwingen? Warum taucht sonst meine Mutter dort auf, und warum muss ich bitte schön ein peinliches Schulreferat halten und mich dabei von Wenders blöde angrinsen lassen? Das ist grusliger als jeder Splatterfilm. Davon sollte unbedingt die Freiwillige Selbstkontrolle erfahren.

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2 Kommentare

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  • H
    Holger

    gääähn,

    besser mal die Kolumne leer lassen, man kann ja nich immer geistreich sein...

  • W
    Wimmer

    Schade. Ein bisschen freiwillige Selsbtkontrolle hätte dem Autor gut getan.