die wahrheit: Die schweizer Bankgeheimniskrämer

Der Chef der Bankenaufsicht in der Schweiz ist nicht zu beneiden ...

Der Chef der Bankenaufsicht in der Schweiz ist nicht zu beneiden. Denn die Welt, auf die es ankommt zwischen Washington und Brüssel, ist gerade dabei, den Schweizern ihre liebste Legende zu zerstören - die Legende vom Bankgeheimnis.

Der okkulte Kern des Bankgeheimnisses besteht in der feinen Unterscheidung zwischen dem strafbaren Steuerbetrug und der nur mit relativ geringen Bußgeldern bedrohten Steuerhinterziehung. Für alle, die nicht vom Schweizer Bankgeheimnis profitieren, ist diese Unterscheidung lediglich juristische Quacksalberei, schlecht getarnte Interessentenprosa. Ideologisch aufgerüstet wird aber die Schweiz seit 200 Jahren vom Schwaben Friedrich Schiller und seinem "Wilhelm Tell". Der kernige Armbrustschütze aus dem Lande Uri hielt es weniger mit Juristischem als lebkuchenverstauglichen Basta-Sätzen: "Ein jeder wird besteuert nach Vermögen."

Der Oberbankenaufseher Eugen Haltiner verteidigte die Bankgeheimnislegende kürzlich in einer Fernsehsendung: "Wir befinden uns gegenwärtig in einem Wirtschaftskrieg, in dem Machtblöcke zu ihren Gunsten Interessen vertreten und alle Mittel einsetzen, um ihre Interessen zu erfüllen. Jede Nation kämpft für sich."

Nun ist also Krieg. Zwischen wem ist allerdings nicht so ganz klar, denn einerseits tobt er zwischen "Machtblöcken", andererseits "kämpft jede Nation für sich". Zunächst einmal kämpft die Alpenrepublik ziemlich allein, denn "Machtblock" passt gar nicht zur helvetischen Lebenslüge von der ewig währenden Neutralität. Auf Alleinsein im Kampf waren die Schweizer bis vor kurzer Zeit so stolz wie Wilhelm Tell bei Schiller: "Beim Schiffbruch hilft der Einzelne sich leichter. Ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst. Der Starke ist am mächtigsten allein." Derlei Biedersinn pflanzten Legionen von gesinnungsfesten Gymnasiallehrern in die Seelen der Tellensöhne. Und jetzt wird aus nationalem Einzelkampfstolz ein weinerliches Lamento! Das in seiner Selbstbezogenheit eigentlich unvereinbar ist mit der patriotischen Grundweisheit Wilhelm Tells: "Der brave Mann denkt an sich zuletzt." Nun denken die Schweizer Banker und die Profiteure des Bankgeheimnisses zuerst und nur an sich.

Oder wollte der Bankenaufsichts-Chef etwas ganz Anderes mitteilen. Wenn der Markt seine Klimax erreicht, herrscht Krieg. Das wäre ein nicht ganz so gutes Argument für die "Logik" des Marktes, die uns die neoliberalen Fernsehprediger andienen wollen. Wenn sich Markt zuletzt auf Krieg reimt, würde der brave Wilhelm Tell jedenfalls antworten: "Hier ist nicht gut sein. Lasst uns weitergehn."

Fragt sich, wohin. Die Schweizer Großbank UBS zum Beispiel zog es auf den amerikanischen Markt, wo die zarte Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung nicht zieht. Das kostete eine Milliarde Bußgeld. Hätte die Bank bei Urgroßvater Tell nachgefragt, hätte sie sich das sparen können: "Ein jeder lebe still bei sich daheim / Dem Friedlichen gewährt man gern den Frieden." Aber wer den Krieg eröffnet, der kann leicht darin umkommen.

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kari

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