die wahrheit: Die Beutelbeauftragte
Interessante Berufe. Die Wahlhelferin hat alle vier Jahre einiges zu tun. Gerade heutzutage fragen junge Menschen immer wieder: "Wie werde ich eigentlich Wahlhelferin?"
Neben einem gültigen Hilfsschulabschluss und einem erfolgreich absolvierten Erste-Hilfe-Kurs gehört dazu ein einjähriges Praktikum bei einem Wähler über 18 Jahren. Bei ihrem Wähler als Anleiter lernt die junge Praktikantin zum ersten Mal eine Wahlkabine von innen kennen (muffig) und bekommt endlich einmal mit, was Erwachsene wählen (auch muffig).
Sie wird lernen, sich tunlichst mit Kommentaren in der Kabine zurückzuhalten ("Noch so n Beitrag, und ich schmeiß euch raus!"). So lernt die Praktikantin auch gleich den Wahlleiter kennen, und wenn der sie nicht rausgeworfen hat, darf sie den Umschlag anlecken und zukleben. Womöglich darf sie ihn sogar in die Wahlurne werfen, bevor die Stimmzettel darin verbrannt werden.
Doch vorher müssen die Stimmen gezählt werden. Das ist dann die große Stunde der schon fertig ausgebildeten Wahlhelferinnen. Nach ihrem pekuniär prekären Praktikum dürfen sie zum ersten Mal die Wahlzettel auszählen und in bunte Säcke werfen.
Die roten Stimmen kommen in den roten, die schwarzen in den schwarzen und die Postsachen in den gelben Sack. Ungültige Stimmen in den blauen Beutel. Das ist einfach, doch Achtung, die grünen Stimmen werden nicht verbrannt, sondern bei der nächsten Wahl wieder verwendet (Recycling).
Aber eine Wahlhelferin muss noch mehr tun, als Stimmzettel einzutüten. Da muss alten Leuten, die vielleicht die CDU wählen wollen, die zittrige Hand geführt werden, damit das Kreuz an die richtige Stelle kommt, und Menschen, die sich verwählt haben, müssen beschwichtigt werden. Gut, dass die Wahlhelferinnen gelernt haben, sich gewählt auszudrücken, obwohl sie gar nicht gewählt worden sind, und nicht zurückpöbeln, denn dafür ist ja der Wahlleiter zuständig.
Wenn sich die Wahlhelferin dann am Wahlabend erschöpft zurücklehnt, weiß sie, dass sie bei allem Stress den richtigen Beruf gewählt hat, denn schließlich wird bei uns ja nur alle vier Jahre gewählt, und so viel Freizeit wie eine Wahlhelferin hat noch nicht einmal der gute alte Weihnachtsmann!
Und noch ein kleiner praktischer Tipp für den Nachwuchs: Die rote Wahlhilfe hat dieses Jahr wieder etliche freie Praktikumsplätze zu vergeben!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen