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die wahrheitNeues aus Neuseeland: Nazis beim Oktoberfest

Die Lincoln University ist eine Bauern-Hochschule. Nichts gegen Bauern, und schon gar nicht an der Uni. Da können 18-jährige Farmerkinder Wollproduktion...

...Forstwirtschaft und Freizeit-Management studieren. Vor der Bibliothek in Lincoln stehen keine Schirmständer für Regenschirme, sondern reihenweise Gummistiefel. Draußen parken schlammbespritzte Geländewagen. Eine Bildungseinrichtung, an der Ackerkrume klebt.

Voriges Wochenende feierten die Erstsemestler eine Party. Wie es in Neuseeland üblich ist, mit Motto. Diesmal: "Oktoberfest". Bier im Exzess saufen liegt den Leuten in Lincoln, denn was unten und oben rauskommt, das düngt den Boden. "Verkleidet euch als Deutsche", lautete die Parole an die rund 200 jungen Gäste. Die kramten nur kurz im Hirnstübchen, aber tief in der Mottenkiste und brachten spielerisch zum Ausdruck, was ihnen spontan zum Stichwort "Germans" einfiel.

Es war eine bunte Kostümparade, die den Kölner Rosenmontagszug in den Schatten stellte: Hitlerbärtchen, Uniformen mit Hakenkreuzen, Nazis aller Couleur. Ein Student, der immerhin SMS-Englisch beherrscht, hatte "Hitler is my boi" auf sein T-Shirt geschrieben. Ein anderer stellte einen KZ-Häftling dar. Er trug ein weißes Laken wie Hui-Buh, das Schlossgespenst. Darauf hatte er künstlerisch arrangierte Davidsterne gesprüht. An den Handgelenken rasselten Ketten. Das kam an. Großes Hallo. Dass Holocaust so lustig sein kann!

Das Oktoberfest kam richtig in Schwung, als ein paar Tische zu Bruch gingen. Im Studentenwohnheim wurde ein Waschbecken aus der Verankerung gerissen. In Auschwitz hatten sie ja auch keine ordentlichen Bäder, also war das historisch nur korrekt. Leider gibt es aber selbst in einer unprätentiösen Institution wie Lincoln Menschen, die anderen den Spaß verderben. Verkniffene, sauertöpfische, politisch korrekte Kontrollfreaks ohne Sinn für Humor. Garantiert Deutsche. Die studieren dort nämlich in Scharen.

Als Neuseelands Medien Wind von der Studentensause bekamen, drohte die Uni mit disziplinarischen Konsequenzen. Da war die Empörung groß. Weniger darüber, dass Folter und Massenmord verharmlost wurden. Noch weniger darüber, dass Deutsche automatisch als Nazis gelten (kein einziger Kommentar). Aber das Talk-Back-Radio und sämtliche Blogs sind voll von Stimmen, dass man den Kids doch den Spaß gönnen und sich nicht so anstellen soll. Schließlich verkleide man sich auch als Cowboy oder Indianer, obwohl es die Ausrottung der Urbevölkerung Amerikas gab. Und die Juden, die sollten mal endlich Ruhe geben, das sei doch alles lang genug her. Genau wie mit den Maori.

In der Dominion Post bekennt sich ein Kolumnist dazu, selber als Adolf auf eine Kostümparty gegangen zu sein. Das Motto hieß "Total daneben". Da gab es einen Dalai Lama in Porno-Pose, einen Aborigine, der an der Flasche hing, einen Sklaven (der Darsteller war Afroamerikaner) und eine Menge Mercedes-Airbags, denn Prinzessin Diana war gerade tödlich verunglückt. Alles Geschmackssache.

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8 Kommentare

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  • B
    Ben

    liebe alle, vor allem liebe anke. dass deutsche im ausland tatsächlich als nazis wahrgenommen werden kann man den menschen in lincoln wohl kaum verübeln, immerhin hat sich die mehrheit der deutschen historisch in der tat bewusst für den nationalsozialismus entschieden, hat das personelle und ideologische gerüst ns-deutschlands auch nach dem sieg der allierten noch eine ganze weile gehalten und finden sich auch heute noch an stammtischen und der kasernen immer wieder idioten, die das horst wessels lied krächzen könnten, und dies auch tun, wenn sie sich unter ihresgleichen wähnen. ich bin student an der lincoln university und war am rande an den diskussionen um das sog. 'oktoberfest' beteiligt. die deutschen studierenden in lincoln haben sich nach dem sog. 'oktoberfest' in einem schreiben an die veranstalter des events sowie die uni-leitung und an die studenten gerichtet, und deutlich gemacht dass eine grenze überschritten wurde, und dass dies von den deutschen studierenden nicht toleriert wird. das wird in dem taz artikel zumindest angedeutet, in den meisten anderen artikeln jedoch einfach übergangen. dennoch scheint der tenor - auch dieses artikels hier - zu sein, dass der 'wochenendspaß' in nazikostümen nur deshalb ein problem sei, weil deutsche und/oder vor allem jüdische studierende sich angegriffen fühlen könnten. eigentlich ist deren schlechter umgang mit massenvernichtungen und antisemitismus (auch mit ihrem eigenen) nicht unser problem, sondern deren.

     

    beste grüße aus nz,

    ben

     

    p.s. die verkleideten studierenden waren weder ausschließlich männlich, noch neuseeländische farmerkids.

  • T
    Torsten

    @ Martin:

    Da kann ich aber absolut nichts Abschätziges über/gegen Bauern in diesem Beitrag erkennen. Und überhaupt: Wieso soll DEM Journalisten hier was entgangen sein? Ist ANKE nicht ein Frauenname?

     

    Bitte auch erst lesen, dann sachlich schreiben!

  • HU
    Herrmann U. Zeitler

    Was ist daran echt am lustigsten?

    Daß die Krauts nicht als Lederhosenträger wahrgenommen werden, sondern (und laut Artikel in diesem Punkt seitens der Presse unkommentiert) allgemein als Dauernazis und ewige Judenmörder?

    Die gemeinschaftlich begangene Umdeutung des Holocaust als Funfreitag, plus Wochenendsause?

    Der solidarische Hinweis eines Kolumnisten darauf, ist doch ne Art Tradition, ham wir früher ooch gemacht, ein Neger mit Humor gab da sogar den Sklavereiveräpplungswitzbold?

    Oder die Entrüstung des heiligen Martin über DIE ABFÄLLIGE SCHREIBWEISE ÜBER BAUERN? Stimmt ja auch, steht schon im Simplicissimus:

    "Du sehr-verachter Bauernstand

    bist doch der beste in dem Land

    kein Mensch dich gnugsam preisen kann,

    wann er dich nur recht siehet an (...)"

    Lieber Martin, hoffentlich bist du wieder versöhnt, den geschmähten Agrarstudenten hierzulande ergeht es klar schlimmer als je dem Juden 1944 in Auschwitz, dem Sklaven 1820 auf den Baumwollfeldern der Sklavenhalterstaaten, resp. der Zuckerrohrfelder in der Karibik, der Rothaut im mittleren Westen 1876, den Maori auf Aotearoa nach Ankunft der Europäer, oder nem zum Frondienst gezwungenen Bauern im süd-westdeutsch-böhmischen anno 1510. Damit beweist du mühelos, die Deutschen liegen ganz klar vorn in Sachen "Humor" (vic).

  • E
    Eva

    Hallo,

     

    Leute, das ist die Wahrheit, da ist nichts heilig!

     

    Grüße, Eva

  • M
    Martin

    Dass das Benehmen dieser Studenten wohl total daneben ist, braucht wohl keiner weiteren Erklärung. Was mich allerdings an diesem Artikel stört ist die abfällige Schreibweise über Bauern! Auch in Deutschland kann man Agrarwissenschaften studieren. Dass das ein naturwissenschaftlicher Studienzweig ist, der nichts mit den gängigen Klischees zu tun hat, ist dem Journalisten wohl entgangen. Bitte erst informieren, dann sachlich schreiben!

  • H
    heine

    meine freizeit und anderer? sicher hohes gut, gute horstpflege ist auch wichtig. wollproduktion ist ein wirklich bekannterweise vernachlässigtes geschäftsfeld.

  • DK
    Dr. Karwenkeldonk

    ich will Photos sehen!

  • V
    vic

    Und ich dachte immer, Deutsche wären bescheuert.

    Aber ich denke, Kiwis und Brits liegen in Sachen "Humor" doch vorne.