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die wahrheitDer homosexuelle Mann

… muss keine Angst mehr haben vor Schwulenfeinden - ihnen geht die Puste aus. Es gibt nur noch wenige, die mit offenem Visier die Auseinandersetzung suchen...

... einer von ihnen ist Norbert Geis, Bundestagsabgeordneter der CSU und Homo-Experte der Union. So einen braucht die mediale Plauderkultur, ohne seine Widerworte wäre heute jede öffentliche Debatte über Homosexuelles ohne Schmackes und Pfiff.

Wie das funktioniert in der Talkshow-Praxis, ließ sich unlängst bei Sandra Maischberger verfolgen. Geis allein unter - wie es im Diskri-Deutsch heißt - "bekennenden" Homos, Wowereit saß ihm gegenüber, Kroymann und zwei schwule Paare. Da musste Geis schon alle Register ziehen, um sich - hinter der Maske des freundlichen Biedermannes - mit seiner antischwulen Haltung zu behaupten. Der Schutz der Familie ist sein Anliegen, der der Kinder, der des Privaten und des - wie er gerne sagt - "Intimen". Dafür scheute Geis nicht die perfidesten Vergleiche, die infamsten Geschichtsklitterungen. Die gefühlte Zunahme antischwuler Gewalt in den Regionen, wo Lesben und Schwule besonders sichtbar sind, konterte er mit Verweis auf eine "sehr starke Aggression" von Homosexuellen gegen seine Person. Überall, wo er auftrete, versammele sich eine "Rasselbande von Homosexuellen", "zusammengekarrt aus der ganzen Republik" zu Protesten gegen ihn. "Eine Intoleranz, die ich nicht verstehe", klagte Geis, "schließlich haben wir doch einen Wowereit."

Bei einem Rückgriff auf die Geschichte der Bundesrepublik geriet Geis vollends von der Rolle. Nicht die Adenauer-Regierung habe den von den Nazis verschärften Schwulenparagrafen 175 unverändert übernommen, das seien doch die Alliierten gewesen. "Sie müssen schon präzise ein!", so der hinterlistige Geis. Kein Wort darüber, wie lange die diversen Bundesregierungen an diesem Paragrafen festhielten, kein Wort darüber, dass selbst die höchsten Gerichte dieser Republik den Inhalt des Machwerks bestätigten. Für den plumpen Bauernfang stellte sich Geis dümmer als er ist.

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht im Oktober entschieden hat, dass der Schutz von Eheleuten nicht leide, wenn andere Lebensformen die gleichen Rechte erhielten, blieb Geis bei seiner Überzeugung: Nur da, wo Kinder rauskommen, ist Ehe drin. Einem schwulen Paar in der Talkrunde, verheiratet und seit 40 Jahren zusammen, hielt er kalt lächelnd entgegen: "Sie leben in einer Partnerschaft, das hat nichts mit Ehe zu tun. Diese Egalisierung halte ich für falsch." Und heuchelte weiter: "Die strukturelle, öffentliche Diskriminierung von Homosexuellen ist doch verschwunden. Nicht aber die im privaten Bereich, die kriegen sie nicht aus den Stammtischen raus."

Genau dafür will so einer wie Geis weiter sorgen. Dass er dabei zu solch billigen rhetorischen Tricks und plumpen Verfälschungen greift, zeigt, dass er und seinesgleichen auf dem Rückzug sind. Ihre Phrasen haben sich verbraucht und zünden nicht mehr. Die gesellschaftliche Realität geht über sie hinweg, und sie wissen darum.

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5 Kommentare

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  • S
    Sirdanc

    Herr Kraushaar scheint seinen Wohnsitz auf Elysion zu haben.

    "Der homosexuelle Mann muss keine Angst mehr haben vor Schwulenfeinden - ihnen geht die Puste aus."

    Da ist man tatsächlich atemlos, sprich sprachlos angesichts solcher Naivität und Ignoranz.

    Weltweit werden homosexuelle Menschen verfolgt und ermordet im Auftrag monotheistischer Priester - und der Ein-Gott-Aberglauben breitet sich wieder erfolgreich aus!

    Die hart erkämpften und doch mageren Erfolge, was die gesellschaftliche Anerkennung homosexueller Menschen und den Schutz vor Verfolgung betrifft können ebenso leicht hinweggefegt werden wie zu Beginn des dritten Reiches.

    Das Licht der Aufklärung ist erloschen, das zweite finstere Mittelalter kündigt sich an!

  • JB
    James B

    Tatsächlich: den Schwulenfeinden "geht die Puste aus"?? Wie Frank S - da bin ich mir überhaupt nicht so sicher. Ich komme aus Gross-Britannien, halte mich ziemlich regelmässig in Deutschland auf. Auch wenn es heute in Deutschland "einen Wowereit" und "einen Westerwelle" gibt, beobachte und spüre ich eine starke Schwulenfeindlichkeit in der gegenwärtigen deutschen Kultur und Gesellschaft. Die Berichterstattung y. B. zu den beiden genannten Politikern kommt mir persönlich fast immer sehr hämisch vor - wo jedenfalls von ihrem Schwulsein die Rede ist. In wie weit Lesben dadurch berührt sind, wäre auch eine ... interessante Frage. Wo offene Feindseligkeit ausgedrückt wird, scheint es fast immer sehr spezifisch gegen homosexuelle Männer gerichtet zu sein. So bei Herrn Geis und auch zum Beispiel bei den Gestalten, die Frank S nennt: Kuby, Steeb, Laun, Thürkauf usw. In der "Welt" gab es auch eben vor wenigen Tagen einen langen lächerlichen Artikel über Homosexualität (d.h. fast ausschliesslich männliche Homosexualität) als eine gefährliche neue "Religion" - ja, in der Tat, Religion... auf den Volker Beck nun antworten durfte.

  • FS
    Frank S.

    Den Schwulenfeinden geht die Puste aus??Da bin ich mir nicht so sicher!Vor allem Evangelikale und Rechtskatholiken werden in ihrem kranken Gotteswahn erbittert weiterkämpfen.Man denke nur an Gabriele Kuby(homosexuellenfeindliche,rechtskatholische Publizistin),Christl Ruth Vonholdt(selbsternannte Homo-Heilerin),Markus Hoffmann(Wüstenstrom),Hartmut Steeb,Weihbischof Laun,Inge Thürkauf,die mittelalterlichen Piusbrüder und und und.Nicht zu vergessen die christlich getarnten Internetseiten "kreuz.net","kath.net","Idea","Medrum.de",die fast täglich homosexuellenfeindliche Artikel publizieren.Zur Zeit sammeln Sie Unterschriften gegen die geplante Homo-Ehe in Österreich.Ratet mal,wer wieder einmal zu den Erstunterzeichnern gehört:Gabriele Kuby!!!!!.

    Mag sein das dies eine radikale Minderheit ist,aber ich habe Angst,das sich dieses kranke Gedankengut wieder in die Mitte der Gesellschaft fressen könnte.Die Menschen lassen sich halt gern immer wieder verdummen und sitzen auf ihren Vorurteilen,vor allem die Deutschen.

  • D
    Didi

    Schlimm, dass solche Menschen wie Herr Geis noch MdB sind. Mit seiner Haltung steht er ja nicht mehr auf dem Boden der FDGO (vulgo Verfassung). Das BVG ist ja zu einer ganz anderen Auslegung der Verfassung gekommen.

  • J
    Jan

    Ein sehr guter Kommentar; viel besser als der zu Guido Westerwelle vor einiger Zeit, den ich als "veraltet" empfand, da er nicht mehr die heutige Person Westerwelle wiederspiegelte.

     

    Sehr gut analysiert, wie Geiss und Konsorten mittlerweile in Deutschland auf dem politischen Rückzug sind, und sie ihre Schlacht der letzten Jahrzehnte verloren haben.

     

    Offen in der Politik gegen die Rechte homosexueller Paare kämpft heute in der deutschen Politik und in der Gesellscahft kaum noch Personen (außer die NPD - aber die ist im gesellschaftlichen Kurs in Deutschland nicht maßgebend/unbedeutend).

     

    Heute müssen daher homosexuelle Paare in Deutschland nicht die offene Diskriminierung der Gesellschaft oder von Personen fürchten, sondern nur bei einer Gruppe von Personen, die versteckte Heuchelei bedenken. Personen, die sich gegen die Rechte homosexueller Paare wenden, zeigen dies nicht mehr offen, sondern handeln allenfalls versteckt. Diese Gruppe ist aber mittlerweile in Deutschland in der Minderheit.

     

    Dies hat mittlerweile unter Angela Merkel und Ole von Beust selbst die CDU mehrheitlich gelernt und Rückzugsgefechte werden nur noch in der Steuer/Finanzpolitik geführt, wo homosexuellen Paaren nicht das gleiche Geld wie heterosexuellen Paaren gegönnt wird.

     

    Ansonsten aber läßt sich durchaus behaupten, dass die Rechte homosexueller Paare noch nie so stark in der Gesellschaft verankert waren, wie dies heute der Fall ist und der Zug scheint weiter in diese Richtung zu fahren.