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die wahrheitHeino für die Navajos

Fremde Kulturen kennenlernen - muss das wirklich sein?

Mitten in ein Powwow hinein platzten die jugendlichen Kulturrevolutionäre mit ihrer Deutschtümelei. Bild: ap

Viel zu lange schon ist es das Vorrecht deutscher Aussteiger gewesen, sich das Brauchtum andersbegabter Kulturträger anzueignen, Panflöten und Ponchos zu importieren, sich in Saris oder Pumphosen zu hüllen, Rituale der Schamanen nachzuahmen und in Volkshochschulen Bauchtanzkurse anzubieten.

Jetzt schlagen die indigenen Völker zurück. In Peru, Guatemala, Mexiko und auch in zahlreichen nordamerikanischen Indianerreservaten entdecken immer mehr Abkömmlinge der Ureinwohner ihr Faible für die deutsche Kultur. Im Trend liegen Schlager von Heino, Roy Black und Wolfgang Petry, pittoreske Trachten aus den Kreisen der Vertriebenenverbände, deutsche Waschmittelreklameslogans, äppelwoi- und bierselige Kegelabende im Ballermannformat, Reichskriegsflaggen, Pickelhauben, Lichthupen, Kettenbriefe, Weihnachtsmärkte, Konsalik-Romane, Franz-Josef-Wagner-Kolumnen, textilfreies Grillen, Kaffeekränzchen, Kindesmisshandlung und Bratwurst mit Sauerkraut. Bei den Navajos ist es mittlerweile sogar üblich geworden, von September bis August ein rauschendes Oktoberfest zu zelebrieren und sich die restliche Freizeit mit dem Konsum alter "Derrick"-Folgen zu vertreiben.

"Wir suchen noch nach einer Erklärung für dieses Phänomen", sagt Dr. Herbert Klein vom Gießener Institut für angewandte Völkerkunde. "Aber wenn ich ehrlich sein soll - wir tappen im Dunkeln." Besonders bedenklich erscheint vielen Beobachtern aus der akademischen Ethno-Szene die Hemmungslosigkeit, mit der die meisten Stämme ihre kulturellen Wurzeln kappen und sich ganz und gar der Imitation deutscher Sitten und Bräuche verschreiben. Darüber klagen inzwischen auch die Vertreter der Tourismusbranche: Immer weniger Indianer lassen sich dazu herbei, den Touristen zuliebe die traditionellen Kriegs- und Fruchtbarkeitstänze aufzuführen. Mehr als einmal hat es wütende Proteste gegeben, wenn Reisegruppen nach Interkontinentalflügen und beschwerlichen Überlandfahrten am Ziel nicht die dekorativ gewandeten Indianer aus den Prospekten vorfanden, sondern skatkloppende Rothäute mit Gamsbarthüten und echten deutschen Volkskrankheiten wie Bluthochdruck, Fußpilz, Patriotismus und Bierkrebs.

Dem Bestreben der Stammesältesten, alle Riten der Bleichgesichter wieder zu verbannen, setzt die indianische Jugend ihren Trotz und triftige Argumente entgegen. In einer Grundsatzerklärung hat der Bundesverband junger Hochlandindianer auf den hohen Wert des Kulturtransfers für die Völkerverständigung hingewiesen und die multikulturelle Lebensweise in Schutz genommen. Vereinzelt ist es allerdings auch schon zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den Generationen gekommen: In den feierlichsten Akt der diesjährigen Sonnenwendfeier der Cherokee platzte ein Karnevalszug jugendlicher Jecken hinein, um unter dem Schlachtruf "Kölle alaaf!" einen altehrwürdigen Totempfahl in Kleinholz zu verwandeln. Einem der versammelten Häuptlinge rissen sie den Federschmuck vom Kopf, und es war den Veranstaltern unmöglich, die Zeremonie fortzusetzen, solange die närrisch kostümierten Störenfriede Lieder schmetterten, die davon handelten, dass ein Pferd auf dem Flur stehe, die Löcher aus dem Käse flögen und alles außer der Bratwurst ein Ende habe.

Im deutschen Außenministerium betrachtet man solche Vorkommnisse mit gemischten Gefühlen. Es sei gewiss begrüßenswert, so heißt es in diplomatischen Kreisen, dass die deutsche Kultur im Ausland an Ansehen gewinne, doch es gehörten eben auch Goethe und Schiller dazu sowie Beethoven, Luther, Hegel, Herberger und Kant. Ein Ministerialbeamter, der nicht genannt werden möchte, hat diesen Sachverhalt in eine einprägsame Formel gefasst: "Erst wenn die letzte Kiste Jever Pilsener geleert worden, der letzte Opel Manta schrottreif gefahren und der letzte Ententanz vorüber ist, werden die Indianer merken, dass man die Mondscheinsonate nicht trommeln kann."

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4 Kommentare

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  • A
    Amos

    Ist für mich klar, das sich solch ein Idiot, der die Indianer verhöhnt und aus dem weisen Spruch der Hopi-Indianern eine Farce macht, sich nicht vorstellt.

    Dann auf Schiller und Goethe als Kultur-Vorbilder zu verweisen, wobei man (wie es den Anschein hat)ein Gobalisierungs-Fuzzy ist, dazu wenig Deutscher, doch ein starkes Stück ist.

  • H
    Hannes

    "Kaffeekränzchen, Kindesmisshandlung und Bratwurst mit Sauerkraut."

     

    Wie bitte. sehe ich das richtig, dass die Autorin Kindesmisshandlung als typisch deutsch ansieht ?

     

    Was ist denn das für eine Unverschämtheit ?

  • JZ
    jan z. volens

    Der einzige, aber ernsthafte und fortwaehrende Einfluss von deutscher Volkskultur welcher die Kultur der Indianer und Mestizen in einer grossen Region der Amerikas veraendert hat: Nach 1844 siedelten Deutsche nahe von San Antonio (damals in der unabhaengigen Republik Texas) - und "Tejanos" (Mestizen) und spanisch-sprachigen Indianer adoptierten die POLKA Musik (urspruenglich von Boehmen) welche damals unter Deutschen populaer war. Deshalb ist die Tanzmusik der Indianer und Mestizen im U.S. Southwest, in Mexiko und Zentralamerika - auch noch 2010 die Polka welche heute (sehe youtube) erscheint als "Conjunto Tejano" & "Musica Nortena" & "Banda Sinaloense".

  • S
    SaintHuck

    Großartig, danke sehr für den ersten Lacher des Tages, obwohl das Schütteln den Kater von gestern nicht besser gemacht hat. PS: Der Wein war schuld, kein Jever!