die wahrheit: Fleisch für Godgrilla
England ist bekannt für tote Tiere, eine fatale Küche und den unbändigen Willen seiner Bewohner, beim kleinsten Sonnenstrahl sofort im Freien zu grillen ...
... Das lässt sich alles wunderbar kombinieren. Neulich ist mal wieder ein Tier gestorben, aber nicht am Rinderwahn oder der Maul- und Klauenseuche. Nein, Bee Bee ist von einem Auto überfahren worden. Die französische Maranhenne lebte am Rand der Schnellstraße A66 bei Brigham im Norden Englands, einer der gefährlichsten Straßen im ganzen Land. Sie wurde in der ansonsten eher etwas langweiligen Gegend als Star verehrt und hatte sogar eine eigene Facebook-Seite.
Bee Bee rannte neben den Autos her, die Fahrer grüßten sie mit Hupkonzerten. Bis einer nicht aufpasste und sie überfuhr. "Wie schläft der Bastard nachts bloß", fragt man sich auf Facebook. Vorigen Monat hielten die Fans des toten Geflügels an der Unfallstelle eine Gedenkfeier ab, und noch immer legen Menschen dort manchmal Blumen nieder. Bee Bees sterbliche Überreste wurden unter einem Kastanienbaum begraben.
Vermutlich ärgert sich Arthur Boyt, dass er zu spät gekommen ist, um Bee Bee einzusammeln. Der pensionierte Beamte kratzt seit 50 Jahren die Kadaver toter Tiere von Englands Straßen, um sie zu Hause zu kochen und zu verspeisen. Ob Fuchs und Hase, Wiesel oder Ratte, Katze, Otter, Stachelschwein - alles kommt in Boyts Kochtopf. Wenn die Tierleichen schon etwas grünlich sind, muss man sie eben länger kochen, meint Boyt. Schon habe man eine kostenlose Mahlzeit, die garantiert frei von Hormonen sei. Einmal hat er sogar einen Labrador gegessen. Der habe aber kein Halsband getragen, versichert Boyt. Er argumentiert, dass die meisten Menschen ja auch Äpfel essen, wenn sie von den Bäumen fallen. Warum sollte man also einen Klumpen Fleisch verschmähen, wenn er einem vors Auto fällt. Boyt hat seine kulinarischen Erfahrungen mit den Unfallopfern in einem Kochbuch zusammengefasst.
Vielleicht sollte er sich mit dem englischen Ingenieur Jack Henriques zusammentun. Der 31-Jährige hat den größten Grill der Welt gebaut. Das Ungetüm, dass er unter dem Namen Godgrilla vermarkten will, ist fünf Meter breit, knapp zwei Meter tief und dreieinhalb Meter hoch. Auf den Grill, der 10.000 Pfund kostet, passen tausend englische Gummiwürstchen oder 500 Hamburger. Man benötigt mindestens drei Köche, um das Grillgut zu wenden, sowie 14 Sack Kohle. Leider ist Godgrilla nicht überdacht, was seinen Einsatz in Anbetracht des englischen Wetters stark einschränkt. Aber er verfügt über Fleischerhaken wie in einem Schlachthaus, denn man kann auch sieben Lämmer, drei Schweine oder zwei Kühe gleichzeitig garen. Oder vier Menschen.
Boyt sollte sich an der A66 bei Brigham auf die Lauer legen. Irgendwann wird es auf dem unübersichtlichen Straßenabschnitt einen Bee-Bee-Fan erwischen, der Blumen niederlegt und nicht auf den Verkehr achtet. Henriques sollte Godgrilla schon mal anheizen. Wäre doch schade um das Fleisch.
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