die wahrheit: Frischer Schleim aus dem Hause Martin Walser
In regelmäßigen Abständen überkommt Martin Walser der Drang, seine Verehrungsschleimdrüse zu entleeren. Zuletzt traf es Bastian Schweinsteiger, weil dieser ...
... nach dem verlorenen Halbfinale gegen Spanien niederkniete und sein Gesicht in den auf dem linken Knie gebeugten Arm drückte. Der schwer an Verehrungsüberdruck leidende Guru vom Bodensee war von der Szene so übermannt, dass er sie zu verewigen empfahl: "Der gloriose Fußballer kniet allein, die Stirn im Gras, dieses Bild hat es verdient, gespeichert zu werden, überall."
Jetzt trifft der Schleim Ernst Jünger, weil Walser eine neue Biografie in die Hände gefallen ist. Walser geht vor Jünger in die Knie wie ein reuiger Sünder und macht aus dem Gewaltpornografen ein Kind, das im Grabenkrieg an Angst litt und in seinen Tagebüchern über "Nervenzusammenbrüche" berichtete.
Nun weiß man schon länger, dass Jüngers Werk fast nur aus nachträglich begradigten, situativ zugerüsteten Fronterlebnissen beruht. Jünger selbst beschrieb das Verfahren 1935 so: "Ich habe auf diese Weise den ersten Teil des Jahres damit zugebracht, meine Autorschaft nach rückwärts auszubauen, damit kein Satz hinter mir bleibt, dem ich nicht zustimmen kann."
Das ist ein apartes Verfahren und der Grund, warum es von den "Stahlgewittern" wie von den meisten Jünger-Werken fünf bis sieben "Ausbau"-Varianten gibt. Diese Tatsache kennt die ernst zu nehmende Jünger-Forschung seit über 15 Jahren.
Und was macht der geschwätzig nach Verehrung lechzende Walser aus der manipulativen Selbstpflege? "Jünger hat aus seinem Kriegsschicksal eine Erfahrung gemacht, zu der er sich immer verhalten muss. Das kann nur heißen, dass er seine Bücher brauchbar machen will." Fragt sich nur, wozu?
Walser besäuft sich daran, wie Jünger "sich lebenslänglich mit dem Krieg konfrontiert sah". Dabei ging es Jünger gar nicht um den Krieg, sondern um die Hege und Pflege seines Ego, das er lebenslang immer à la mode frisierte und polierte. Der achtzigjährige Walser bedauert, dass er dem "in jeder Hinsicht Meisterlichen" Jünger nicht schon 1964 bei einem gemeinsamen Essen "über den Tisch hinüber" mit einer ordentlichen Portion seines Verehrungsschleims bedacht habe.
Wer hat ihn daran gehindert, sich schon damals und nicht erst heute zu blamieren? Walser meint, von 1964 bis vor ein paar Monaten dem "Zeitgeist" gedient und deshalb zu wenig Jünger-Devotion gezeigt zu haben. Jetzt rüstet er meinungsmäßig auf und bemitleidet sich, dem "deutschen Elend" verfallen gewesen zu sein. Dies bewirke, meint Walser, dass "wir immer nach Meinungen" gehen statt nach "dem Wesentlichen" und "Haltungen!"
Zumindest die Ansicht, "wir" seien so biedersinnig auf Verehrung, "Haltung" und Ranschmeiße bedacht wie Walser, ist eine bloße Meinung des vermeintlich meinungslosen Walser, der seit 20 Jahren nur noch der Idée fixe nachjagt, die ganz schlichte Meinung, keine Meinung zu vertreten, sondern "Haltung" und Wesentliches" von der Stange, sei keine Meinung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken