piwik no script img

die wahrheitEhemalige Wurstgebiete

Der deutsche Wagen (Teil 5): Die einst großen Publizisten Broder, Sarrazin und Schirrmacher werkeln in ihrem kleinen Imbiss.

Was bisher geschah: Die drei Imbissbesitzer haben sich im Dichten von Werbetexten für ihre Wurstbude versucht, sind jedoch nicht über das Niveau von Lotto-Literatur hinausgekommen.

(Sarrazin sitzt im Wagen auf den Bierkisten, hält einen Fächer aus Fünf- und Zehn-Euro-Scheinen in der Hand und baumelt mit den Beinen. Schirrmacher dreht pfeifend die Würste auf dem Rost, Broder kommt hinzu.)

Broder: "Morgen, Freunde! Und wie läufts?"

Sarrazin: "Gar nicht so schlecht. Wir hatten heute schon sieben Bauarbeiter, die ordentlich zugelangt haben. Gell, Frank?!"

Schirrmacher: "Ja, das kann man sagen. Und es ist noch nicht mal zwölf. Wenn das heute so weitergeht, brechen wir alle Rekorde."

Sarrazin: "Na, na, na! Wir wollen nicht gleich übertreiben. Aber zufrieden sein, mit dem heutigen Morgen. Wobei Zufriedenheit der Anfang der Lümmelei ist." (An Broder gewandt): "Was hast du da?"

Broder (hat etwas in einer Frischhaltefolie auf den Tresen gelegt, packt es aus): "Halva. Hat mir meine Tante aus Israel geschickt. Echtes, koscheres Halva!"

(Broder teilt den Block in kleine Stücke, Schirrmacher und Sarrazin nehmen etwas. Brocken fallen aus Sarrazins Mund.)

Sarrazin: "Boah! Was ist das denn?! Das ist ja trocken wie Sand. Hat die das aus der Klagemauer rausgehauen oder was?"

Broder (beleidigt): "Du bist so was von kulturlos! Nur weil du mit so einer alten, vertrockneten Schachtel verheiratet bist, musst du auf allem rumhacken!"

Schirrmacher: "Jungs, nun reißt euch mal zusammen! Was macht denn das für einen Eindruck?!"

Broder: "Auf wen?"

Schirrmacher: "Auf die Kunden!"

Broder: "Welche Kunden?"

Schirrmacher: "Die, die gleich kommen. Thilo, mach doch mal die Musik an!"

(Sarrazin drückt den Startknopf des Ghettoblasters, "Der fröhliche Ostpreuße" erklingt. Drei sehr gepflegt anmutende Herren kommen auf den Imbiss zu.)

Schirrmacher (erwartungsfroh): "Seht ihr, hab ich doch gesagt! Der Bann ist gebrochen, die Kunden kommen. Und was für welche! Männer, wie ich einer bin! Haltung, meine Herren!"

(Broder und Sarrazin stehen stramm. Die Kunden bestellen, man plaudert, Sarrazin greift den Haraschko-Eimer, um Würste nachzulegen.)

Einer der Kunden: "Wie? Sie verwenden keine deutsche Ware?!"

Sarrazin: "Wieso? Was meinen Sie?!"

Kunde: "Na, die Würste! Ich dachte, das ist hier ein anständiger deutscher Imbiss, mit deutschen Würsten!"

Schirrmacher: "Na sicher sind die deutsch! Haraschko ist eine gute, deutsche Traditionsfirma, was denken Sie denn!"

Kunde: "Das kann ja sein. Aber die Würste kommen aus Polen!"

Sarrazin (schaut auf den Eimer, liest): "Stimmt, Frank. Er hat recht, ,Made in Polski' steht hier." (Sarrazin schaut betreten.)

Schirrmacher: "Das kann doch nicht sein!"

Broder: "Warum soll das nicht sein können? Seht mich an, ich stamme auch aus Polen und alle sehen mich als Deutschen. Warum soll es den Würsten anders gehen?"

(Schirrmacher und Sarrazin blicken hilflos.)

Schirrmacher: "Verdammt, Thilo! Was ist nun mit deiner Vererbungstheorie? Damit, dass deutsches Essen die Intelligenz fördert? Was, wenn polnische Schweine wirklich dümmer sind, als deutsche? Ich denke, wir haben einen Bildungsauftrag!?"

Sarrazin (im Ton der Ermunterung): "Na also, eigentlich ist Polen doch Deutschland, Frank. Vielleicht muss man das nicht so eng sehen."

Broder: "Polen - Deutschland! Sag mal, wo warst denn du im Geschichtsunterricht? Da gab es so etwas wie einen Zweiten Weltkrieg, Du Dummflummi!"

(Schirrmacher liest noch einmal den Aufdruck): "Die Schweine, Thilo, kommen aus Zawidów, das ist ganz nah der deutschen Grenze. Vielleicht sind die Schweine doch noch nicht verloren!"

Kunde: "Also mir können Sie nichts vormachen! Bis die Ostgebiete nicht wieder unser sind, ess ich diesen Polackenfraß nicht! Auf keinen Fall! Kommt Männer, wir gehen!"

(Kunden gehen ab.)

Broder: "Vielleicht zieht unser ,Deutscher Wagen' doch nicht so die besten Kunden."

Schirrmacher: "Klappe, Henrik!"

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • H
    HUmorlos

    Schön, daß sich der schwarze Block Kölle auch mal meldet!

  • HK
    Hans Kielbasa

    Dobrze, Frau Burmester. Bitte mehr!

  • KA
    Kölle Alaaf

    Belügt und beruhigt Euch in Eurer Kuschelecke nur ruhig selbst und genieest die Zeit die verbleibt. Weil irgendwann wird es wohl bei derlei Dekadenz und Glückseligkeit ein böses Erwachen geben. Man muss für die Erhaltung unserer Demokratie schon etwas in die Wagschale werfen, aber nicht mit so einem Zinnober von Artikel.

  • A
    A.Grech

    Peinlich.

     

    Ganz so einfach ist es nicht mit der "politischen Rendite". Da muss man sich schon auch ein bißchen anstrengen.

  • SL
    Sam Lowry

    Nach einiger Zeit schon begannen die Leute der Umgebung, das Leuchten der Selbsterkenntnis wahrzunehmen und versammelten sich immer öfters am Imbiss.

    Als sich das Licht ihrer Verwirklichung nicht länger verbergen ließ, begannen Besucher aus vielen Teilen der Welt sie aufzusuchen, um ihre spirituellen

    Zweifel zu klären. Im Laufe der Jahre besuchten immer mehr Menschen den kleinen Imbiss, so dass angebaut und vergrößert werden musste bis am Ende ganz Deutschland ein einziger großer Imbiss war. Mit feurigen Pommes, gepaart mit Ketchup und Mayo, führten Broder, Sarrazin und Schirrmacherer die Besucher geschickt zur Wahrheit ihrer eigenen Identität. Sie waren alle in ihrem tiefsten Innern Kartoffeln... vorwiegend festkochend.

  • JV
    Jenseits von Böse

    Klasse, Silke!

  • D
    DumpferLeser

    Hahahaha,

     

    wie witzig, danke für dieses gelungene Beispiel als polemischen Linkspopolismus. Aber mal kein klische Ausgelassen, und auch mal schön sich über die Leiden der Vertriebenen lustig gemacht...