die wahrheit: Kandidaten außer Kontrolle
Macht es einer der Stones, also der Peer oder der Frank-Walter? Oder eher Sigmar Gabriel, der immer aussieht wie in den Steinschlag geraten? ...
... Oder wird die SPD am Ende sogar jemanden ohne Parteibuch ins Rennen um das Kanzleramt schicken?
Steinbrück, der nach seinem Ausscheiden als Finanzminister keine Lust mehr hatte, ständig im Parlament anzutanzen, und lieber bezahlte Vorträge hält, hat sich kürzlich aus lauter Übermut selbst als Kanzlerkandidat aufgestellt. Seitdem entwickelt sich die K-Frage in der SPD zum Selbstläufer. Und das, obwohl Gabriel verzweifelt betont, dass nichts vor Ende 2012 entschieden wird, also eigentlich erst dann, wenn sich Gabriels eigene Umfragewerte erholt haben.
Das Beispiel Steinbrück macht jetzt Schule, und ein Tsunami von Selbstnominierungen rollt unaufhaltsam auf das Willy-Brandt-Haus zu. Offensichtlich ist das auch eine direkte Reaktion vieler Bürger auf Andrea Nahles jüngste Ankündigung, dass die SPD die Beteiligung von Nichtmitgliedern fördern will.
"Was solls? Ich machs!", war die spontane Reaktion von Christoph Daum, der sich immerhin mit abstiegsbedrohten Vereinen auskennt und dazu auch noch Zeit hat. Daum will vor allem die Offensivarbeit der SPD verbessern. "Steinmeier, das ist der Lukas Podolski der SPD. Eigentlich mögen sie ihn alle, aber er macht die Dinger vorne nicht rein!"
Auch aus dem Ausland kommen mittlerweile Anfragen. So signalisierte Libyens Machthaber Gaddafi Interesse an einem demokratisch legitimierten Job, weil "das mit der Diktatur und dem Völkermord nicht mehr so der Kracher" sei, wie er via Twitter mitteilte. Doch die SPD-Führung intervenierte sofort. "Wir haben im Willy-Brandt-Haus einfach nicht genug Freifläche für Gaddafi, seine Kamele und Frauen und all die Zelte!", lehnte Generalsekretärin Nahles Gespräche über eine Zukunft Gaddafis in der SPD ab.
Die Fülle an Selbstnominierungen lässt selbst gestandene Parteienforscher irritiert aufhorchen. "Zur SPD war eigentlich bereits alles gesagt. Aber jetzt will auch ich Kanzler werden", analysiert der Göttinger Parteienforscher Ernesto von Zwetschken. Dabei spiele natürlich auch das Gehalt und die gesicherte Rente eines Kanzlers eine große Rolle, gibt der Experte zu.
"Ich machs nur wegen der Patte! Alles andere ist mir Latte!", reimt gut gelaunt Jürgen Drews. Er war einer der Ersten ohne Parteibuch, die sich als SPD-Kanzlerkandidat selbst aufgestellt haben. Allerdings glaubte Drews, es handele sich um die Wahl zum König von Deutschland. Nach einem zweistündigen Telefonat mit einer Rezeptionistin der Parteizentrale zog Drews seine Nominierung zurück. Zur Wahlparty würde er sich aber gern aus Mallorca einfliegen lassen - gegen Honorar, versteht sich.
Inzwischen bewerben sich viele Interessenten ganz bequem per E-Mail. Drei Sachbearbeiter in der SPD-Parteizentrale mussten mittlerweile wegen nervösen Zusammenbrüchen nach Überlastung stationär behandelt werden. Eines ist sicher: Für den Wähler wird die nächste Bundestagswahl eine recht unübersichtliche Angelegenheit.
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Leser*innenkommentare
vic
Gast
Deutschland benötigt keine Kanzler, schon die aktuelle ist illegal.
Deutschland hat längst einen König: Rio Reiser.
Keine Macht für niemand!
Jenseits von Böse
Gast
Ihren Kommentar hier eingebenSehr geehrter Herr Rau,
die Überlastung der Parteizentrale verstehe ich nicht ganz. Die Spur der Steine (-brück wie -meier) führt zur Presse; als Kanzlerkandidat bewirbt man sich augenscheinlich bei Bild und Spiegel, nicht beim Parteivorsitzenden.
Deshalb wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie meine Initiativbewerbung über die taz publik machen könnten - als bekennendes Mitglied im Arbeitskreis der Anonymen Sozialdemokraten bin ich auf das Amt des Kandidaten bestens vorbereitet.
Das entschiedene Sowohl-als-auch beherrsche ich perfekt, rhetorisch bin ich, das darf ich in aller Bescheidenheit sagen, dem Genossen Steinmeier überlegen, seit ich dem Sandkasten entwachsen bin. Zu meiner Qualifikation gehört überdies die Fähigkeit, auf drei Stühlen gleichzeitig zu sitzen und solange den Kumpel zu geben, bis dessen Job endgültig verloren ist.
Selbstverständlich beherrsche ich die Kunst, alle Richtungen der ruhmreichen Arbeiterpartei gleichzeitig zu vertreten, den kleinsten gemeinsamen Nenner der SPD - das Nichts - verkörpere ich perfekt. Ja, die Beliebigkeit geht bei mir so weit, dass sogar leichte Stimmengewinne möglich wären - solange mir Herr Gabriel nur glaubhaft versichert, dass es zum Regieren nicht reicht.
- Streichen Sie den letzten Satz. Falls ich gezwungen sein sollte, mich in Verantwortung festzulegen, kann ich immer noch den Sarrazin aus der Requisite holen, dann stimmt die Richtung wieder: immer den Bach runter. Also, Herr Rau, verkünden sie meine Kandidatur für diese, äh, Partei: ich brauche das Geld!
Untertänigst, Ihr
Jenseits von Böse