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die stimme der kritikBetr.: Die Welt des Virtuellen

Wann man denn können können kann

Virtuell wird immer beliebter, und seitdem 1972 das erste Computerspiel „pong“ auf den Markt kam, hat sich einiges getan: 100 Millionen Gameboys bevölkern mittlerweile die Welt, an 73 Millionen Playstations hängen die Menschen mit bleichen Gesichtern. Die Playstation der nächsten Generation soll 640 Mark kosten, und gemäß einer Studie von „International Data“ wird der weltweite Umsatz von Video- und Computerspielen von heute 2,4 Mrd. Dollar auf 17,8 Mrd. Dollar im Jahre 2004 ansteigen, melden die Luzerner Nachrichten. Außerdem investiert Microsoft (Intel inside – Idiot outside, oder war es umgekehrt?) 500 Millionen Dollar in eine Werbekampagne für seine neue Videospielkonsole „xbox“.

Dagegen nimmt sich das, was Post und Expo für ihre Propaganda ausgeben, wie Peanuts aus: Thomas Gottschalk und sein megabekannter Bruder bekamen lediglich 100 Millionen Mark an Steuergeldern dafür, dass sie für die Post werbemäßig auf den Strich gehen, wie Bild neulich bekannt gab; die Propaganda-Spots von Peter Ustinov und Verona Feldbusch waren den Expo-Experten sogar nur 40 Steuer-Millionen wert. Das kann doch nichts werden! Mit der Virtualität haben bekanntermaßen gerade ökologisch Interessierte oft ihre Probleme, weil sie mutmaßen, die schöne Virtualität werde sich irgendwann an die Stelle der falschen Wirklichkeit setzen, was übrigens für die Schlechtigkeit der herrschenden Wirklichkeit spricht, die deshalb noch einmal abgesetzt werden müsste.

Also: Es wäre doch zum Beispiel äußerst sinnvoll, den wirklichen Autoverkehr durch den virtuellen zu ersetzen! Da darf man auch betrunken fahren! Außerdem lernt man viel beim virtuellen Tuning mit maßgestalteten Differentialen, schicken Traktionsregelungseffekten und optimalen Gierregelungen. Indische Computerexperten sollten sich vielleicht auch daran machen, virtuelle Kilometerpauschalen zu entwerfen. Virtuelle Schlichter würden den virtuellen Arbeitskämpfen gut zu Gesicht stehen. Virtuelle Kampfhunde sind in Arbeit.

Nur an der Propaganda für den Sieg des Virtuellen hapert es noch etwas: Dem Klischeespanier, der mit dem Spruch „Wir können immer“ seine deutschen Spielgefährten zum Internetspielwettstreit herausfordert, glaubt man jedenfalls nicht so recht. Wann will der denn können können, wenn er den ganzen Tag an seiner Sega-Spielkonsole „dreamcast“ sitzt?      DETLEF KUHLBRODT

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