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die stimme der kritikBetr.: Ernährung, attraktiv & preiswert

Augen auf beim Tiermehlkauf!

Nur noch wenige Tage trennen diese Republik vom Verlust einer kulinarischen Köstlichkeit: Tiermehl. Zu Unrecht als Überträger des Rinderwahnsinns und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gebrandmarkt, soll es nun flächendeckend aus den Regalen unserer Supermärkte verschwinden. „Warum?“, fragen tausende bewusster Genießer. Hat die Soja-Mafia zugeschlagen? Gibt es im bürokratischen Euro-Wahn keine Stimme der Vernunft mehr? Sieht denn niemand, dass die hygienische Sicherheit dieser wichtigen Eiweißquelle voll gewährleistet ist, wenn sie bei der Herstellung auf 1.330 Grad Celsius bei einem Druck von 3 Bar über 20 Minuten erhitzt wird? Nein? Schätzt niemand mehr den hohen Anteil an Schlachtnebenprodukten in der Rohware? Durchschnittlich 85 Prozent! Na schön, die Verfütterung an Wiederkäuer ist seit 1988 verboten – aber sind wir etwa Wiederkäuer? Werden wir also künftig tatsächlich auf Spagetti con Knochensplitteri verzichten müssen? Wer kann sich schon frische Darmzotten und Rinderaugen leisten, wenn die preiswerte Instant-Alternative einmal endgültig von der Speisekarte verschwunden ist?

Keine Sorge. In vielen Geschäften des Landes, vom Tante-Emma-Laden bis zum Großdiscounter, ist Tiermehl noch zu haben – auch wenn findige Landsleute, der Verknappung vorbeugend, sich bereits mit großen Mengen Tiermehls eingedeckt haben: so genannte Hamsterkäufe – für Freunde, für die Familie oder auch für den eigenen Vorratskeller. Diejenigen, welche nicht so vorausschauend gehandelt haben, müssen nun aufpassen. Schon mehren sich erste Meldungen über betrügerische „Tiermehl“-Verkäufer, vor allem aus den neuen Bundesländern. Verbraucher, erfreut, noch eine 10-Kilo-Packung Tiermehl zu ergattern, zahlen bis zu 300 Mark dafür. Daheim ist die Enttäuschung groß: das heiß ersehnte Tiermehl entpuppt sich als ordinäres Waschpulver. Darum: Augen auf beim Tiermehlkauf!

Auch wenn die Tage des guten Tiermehls gezählt scheinen, sollte niemand verzweifeln. Offenbar steht ein durchaus interessanter Ersatzstoff schon kurz vor der Markteinführung, empfohlen von niemand Geringerem als dem offensichtlich kulinarisch bewanderten Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch. Er fordert dankenswerterweise „eine völlige Neuorientierung in der Landwirtschaftspolitik“. Und spricht sich für „Zielmargen“ der ökologisch bewirtschafteten Flächen aus. Ist ja alles schön und gut. Aber: Ob diese „Zielmargen“ auch schmecken? STEFAN KUZMANY

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