piwik no script img

die stimme der kritikBetr.: Namen, Aussehen und Politikkosmetik

Neues aus dem Wahlkreis Kirn/Sobernheim

Ein geradezu erschreckend aktuelles Thema sind die Kommunal- und Landtagswahlen, wie immer die schönste Zeit des Jahres. Weil bei diesen Wahlen viele WählerInnen das Stimmzettel-Riesenposter mit 500 Namen lieber neben ihr „Wer küsst schon gerne Aschenbecher?“-Barmer-Plakat hängen, statt sich durch den komplizierten Vorgang zu quälen, wird verstärkt auf die Personalisierung der Politik gesetzt. Sonst klappt’s nicht mit dem Kreuzchen. Und je tiefer man dabei in die Landes- und Kommunalpolitik eintaucht, desto eindeutiger werden die Politiker.

Als ich neulich hier in Berlin einen befreundeten Pfälzer beim heimlichen SWR-Gucken überraschte (er wollte schnell wegschalten, verpatschte sich aber auf der Fernbedienung und machte lauter), behauptete er, dass in Rheinland-Pfalz immerhin Grüne noch richtige Grüne, Rote noch richtige Rote und Schwarze noch kohlrabenschwarz seien. Tatsächlich. Der CDU-Mann aus dem Wahlkreis 12 (Mayen) etwa: Laurenz-Meyer-Stirnglatze, Luftballongesicht, Zähnefletschlachen. Wie heißt so einer? Dr. Adolf Weiland. Passt wie Arsch auf Eimer.

Der SPD-Mann aus dem Wahlkreis Kirn/Sobernheim sieht aus wie ein Sozialdemokrat und heißt wie ein Handwerksberuf: Peter Wilhelm Dröscher. Bei einem langen Casting haben sicher die Grünen und die FDP ihre Kandidaten gefunden: Der Grüne Bernhard Braun sieht aus wie John Lennon während seiner Hair-Peace- und Bed-Peace-Phase. Und niemand könnte besser eine Motivationsschulung für Jung-Unternehmer moderieren als Matthias Frey von der FDP.

Schon eine Etage höher spielt die kosmetische Seite der Politik eine andere Rolle: Ministerpräsident Kurt Beck sieht nicht aus wie ein SPD-Politiker. Auch nicht wie ein CDU-Politiker. Eher wie gar kein Politiker. Sondern wie ein Bauunternehmer oder eine Art Unterhändler, der grenzlegale Geschäfte zwischen einem ungenannt bleiben wollenden arabischen Geschäftsmann und einem Einzelhändler in einer Kleinstadt der südlichen Weinstraße vermittelt. Bei denen es um den Export von billigem Zahnersatz geht.

Und wonach sehen die PolitikerInnen auf der Bundestagsebene aus? Davon soll demnächst die Rede sein. Aber ich kann Ihnen eines versprechen: Es wird dabei unter anderem um den Stil von Werner Müller, parteilos, gehen und um einen eleganten Herrenanzug namens „Kleiner Stresemann“.

JENNI ZYLKA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen