die stimme der kritik: Betr.: Opium und Sexsport
„Der Drogenhändler erscheint jeden Montag und Donnerstag“
Man sagt ja über Sachsen, dass da die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen, doch in Polen, wo viele Sachsen und Brandenburger hinfahren, um sich Zigaretten zu holen, haben die Mädchen auch noch besonders schicke Anziehsachen an. Auch viele polnische Städte verfügen über einen ausgesprochenen Schönheitssinn.
Dieser Schönheitssinn verleiht auch dem schlesischen Lubsko etwas Zauberhaftes. In das Städtchen ist die gleichmacherische Glitzerwelt des Kapitalismus jedenfalls noch nicht eingezogen. Das freut den Besucher, der sich vorkommt, als sei er gerade durch ein Zeitloch gefallen – eine Tatsache, die wohl die Einwohner ärgert. Nicht jedoch uns. Die Stadt wirkt, als sei sie in der Zeit versunken und verwunschen und nur über Satellitenschüsseln mit der herrschenden EU- und DIN-Jetztzeit verbunden. In Lubsko also gibt es eine Apotheke, die „Opium“ heißt. Opium gibt es hier zwar nicht mehr zu kaufen, doch der Name erinnert an die paar tausend Jahre, als Opium Hauptbestandteil aller möglichen Arneimittel gegen alles Mögliche war und in Apotheken so unkompliziert zu erstehen war wie heutzutage Vitamintabletten, Johanniskraut und Ähnliches. Zwar wirbt man in Deutschland stets sehr gerne mit dem Reinheitsgebot und den Traditionen des Biertrinkens – die Kulturgeschichte anderer Rausch- und Heilmittel dagegen wird verdrängt und verpönt und ist nur noch im Namen des Parfüms aufbewahrt. Längst vergangen ist auch die Zeit, in der der Drogenhändler nicht der Verderber der Post-68er-Jugend, sondern das „offizielle Organ des Deutschen Drogisten-Verbandes“ war. „der Drogenhändler erscheint jeden Montag u. Donnerstag“, hieß es im Impressum. Im Dritten Reich wurde dann aus der Drogenhändler der Drogist und Adolfin gab’s nur noch für den Führer.
An derlei Paradigmenwechsel musste ich denken, als mich neulich mal wieder die Sportlerplakate „Gegen Gewalt und Drogen“ anbrüllten. Weil: damit soll ja nun eine viel näher liegende Geschichte verdrängt werden. Das klingt ja so wie „Gegen Dick und Selters“ oder „Sekt und Doof“. Wenn schon, dann müsste es natürlich heißen „Gegen Sex und Drogen“! Ich stelle es mir toll vor, wenn überall Plakate mit „Gegen Sex und Drogen“ hängen würden! Schade, dass das nicht so ist. Schade auch, dass sich die postkommunistische Zigarettenmarke „Sexsport“ nur wenige Jahre auf dem polnischen Markt halten konnte. DETLEF KUHLBRODT
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