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die schule der magischen doppelung von KATHRIN PASSIG

Bislang waren es meist die Hersteller, die ihren Produkten als Koberer mit Aufforderungen wie „Duschdas“ oder „Nimm 2“ zuarbeiten mussten. Das derzeit energisch beworbene „Pss-Pss-Gel“ von Garnier macht sich erstmals selbstständig: „Pss-Pss!“ zischt es aus dem Regal, „schmier mich in die Haare! Mach’s wie alle deine Freunde, die sich auch Sachen in die Haare tun! Und komm mir nicht damit, du hättest keine Lust, dir erst die Haare zu waschen, nur um dann pappiges Zeug reinzumachen, denn das ist total 20. Jahrhundert.“

Ich seufze hilflos. Von Katzen heißt es ja, sie leckten sich nach dem Verzehr katzenüblicher Abscheulichkeiten mit großer Begeisterung das Fell, damit vorbeiziehende Geschlechtspartner ohne Mühe erkennen können, dass in diesem Fell ein wohlversorgtes Tier zu Hause ist. Beim Menschen scheint das Einlassen der Frisur mit klebrigen Substanzen in dem Moment flächendeckende Verbreitung erreicht zu haben, in dem auch die allerletzte Wohnung in Ostdeutschland mit Bad und Dusche ausgestattet wurde.

Konnte man vorbeiziehende Geschlechtspartner bis zu diesem Tag noch vermittelst einer schäfchenhaft flauschigen Frisur darauf aufmerksam machen, dass man gutsituierter Besitzer von Haarwascheinrichtungen war, ist damit inzwischen kein Staat und schon gar kein Distinktionsgewinn mehr zu machen. Ausgenommen von diesem Trend sind nur die alten Damen mit ihren zeitlos zementierten pastellfarbenen Haarhelmen, aber die wollen ja auch keine Geschlechtspartner anlocken, sondern vielmehr den Russen abschrecken.

Die seither auf den Köpfen verteilten Massen an „Radical Glue Fiber Gel“ und „Secret Weapon Styling Creme“ teilen der Welt also mit, dass man sich in Kreisen zu bewegen gewohnt ist, in denen auch nicht der Schatten der Vermutung aufkommt, man habe etwa aus Wassermangel einen klebrigen Fußabstreifer auf dem Kopf.

Warum und wie aber speziell das lockende „Pss-Pss“ den empfindsamen Leser an jeder Plakatwand aufs Neue zwingt, über Strubbel-Effekt und Out-of-Bed-Look nachzusinnen, steht in Peter Rühmkorfs „Naturgeschichte des Reims und der menschlichen Anklangsnerven“ erklärt. Es ist die Begriffsbildung durch Doppelung, die uns „auf unvorhergesehenen Wegen wieder in magische Frühbereiche führt … Denn wo ein Laut nur mittels seines Echos zu einem eigenen Wesen findet, ein Wort nur durch seinen Schatten existiert, ein Name im Zusammenhang mit seinem Wiedergänger, da ist ein Ende der Wesensverwandlung überhaupt nicht abzusehen und der Verwechslung von Schein und Sein jede Zaubertür geöffnet.“ Wesensverwandlung, findet der Käufer, sei genau das, was er in den frühen Morgenstunden obenrum am dringendsten nötig habe.

Trotz der Vorteile magischer Begriffsdoppelung und des selbstanpreisenden Produkts fände ich es ganz angenehm, wenn das Pss-Pss-Prinzip der Namensgebung keine Schule machte. Krks-Krks-Knäckebrot, Shlrrp-Shlrrp-Limonade und Unh-Unh-Kondome kommen mir jedenfalls nicht in die Einkaufstüte.

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