die sache ist: Der Name ist Schall und Raub
Braunschweigs Klavierbaugeschichte will das Stadtmuseum als die eines transatlantischen Brückenschlags erzählen
Auf ein multiples Jubiläum wirft Braunschweigs Stadtmuseum bald den Blick: Es will mit der Ausstellung „People and Pianos“ die lokale Klavierbautradition und deren transatlantische Dimension beleuchten.
Anlass dafür bietet neben dem 200. Geburtstag von Theodore Steinway der deutsch-amerikanische Rechtsstreit, der vor genau 50 Jahren zu Ende ging: In der Sache Grotrian et al. versus Steinway hat der United States Court of Appeals der Braunschweiger Klavierbauer-Familie Grotrian-Steinweg 1975 letztinstanzlich verboten, ihr Marketing in den USA auf den angeeigneten Zweit-Namen Steinweg zu stützen. Begonnen hatte sie damit 1925 und dann dagegen geklagt, als Steinway ihr das hatte verbieten lassen: ein seltsamer Brückenschlag.
Obskur genug wirkt ja, dass die Grotrians ihren Familiennamen 1918 standesamtlich hatten in Grotrian-Steinweg ändern dürfen. Dabei waren sie weder verwandt noch verschwägert mit den Steinwegs aus Seesen im Harz. Die heißen Steinway, seit sie in die USA ausgewandert sind und dort die berühmteste Klavierfabrik der Welt aufgebaut haben.
So auch besagter Theodore, der Ende der 1850er noch als Christian Friedrich Theodor Steinweg das väterliche Geschäft in Wolfenbüttel am Leben erhält und Friedrich Grotrian als Kompagnon in sein Klavierbauunternehmen aufnimmt. Zusammen verlegen sie dann den Firmensitz nach Braunschweig. Theo verlässt Deutschland jedoch: Im März 1865 sterben ein Schwager und zwei seiner Brüder, und Papa Henry E. ist schon sehr alt und kann fast kein Englisch. Das rasant wachsende Unternehmen in New York steht also ohne Führung da. Daher verkauft Theodore seine Geschäftsanteile an Friedrich Grotrians Sohn Wilhelm, siedelt nach New York über und managt fortan den Aufstieg von Steinway & Sons zur Weltmarke.
Das Verhalten des in Braunschweig verbliebenen talentierten Mister Grotrian und seiner Kinder bleibt seltsam: Dass auch er vorzügliche Konzertflügel gebaut hat, steht fest. Clara Schumann liebte seine Instrumente, Johannes Brahms auch, und in Russland, wo Klaviermusik damals entscheidende Impulse erhielt, war der Name Grotrian länger etabliert als der seines Kompagnons. Trotzdem verteidigte er den Anspruch, die Firma weiterhin Steinweg nennen zu dürfen, mit Zähnen. Und durch Klauen: Zusammen mit seinen Teilhabern Helfferich und Schulz hatte er 1895 klammheimlich die Marke „Steinweg“ im kaiserlichen Patentamt als Warenzeichen eintragen lassen. Rechtswidrig, wie 1896 bis rauf zum Reichsgericht alle Instanzen entschieden. Hätten die Grotrians gehofft, die irreführende Werbung in den Fachzeitschriften bleibe den Wahl-Amerikanern verborgen? Setzten sie darauf, dass deutsche Gerichte im Zweifel gegen die Auswanderer entscheiden würden? Immerhin „Steinweg Nachf.“ durften sie weiter auf ihre Klaviere schreiben. Und taten’s auch.
Angesichts der vergangenen Herbst angemeldeten Insolvenz ist es müßig zu fragen, ob Grotrian-Steinweg ohne diesen Markenidentitätsdiebstahl nicht erst 2024 pleite gegangen wäre – oder im Gegenteil, prosperieren würde. Wie allerdings das Städtische Museum nun die Geschichte dieser Beziehung als „Brückenschlag zwischen Braunschweig und der Neuen Welt“ erzählen will, darauf sind wir nun gespannt. Benno Schirrmeister
Ausstellung „People & Pianos. Steinway & Sons | Grotrian-Steinweg“, Städtisches Museum Braunschweig, ab 28. 1.
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