die nachricht: Arbeit ohne Ende: Deutsche schuften bis ins hohe Alter
In den vergangenen 20 Jahren ist das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen um vier Jahre gestiegen. Am ältesten sind Selbstständige. Viele Rentner*innen arbeiten notgedrungen
Das Neue
Das Durchschnittsalter berufstätiger Frauen und Männer steigt. Im vergangenen Jahr waren Erwerbstätige durchschnittlich 44 Jahre alt, teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. Vor 20 Jahren waren Berufstätige durchschnittlich vier Jahre jünger. Interessant ist der Altersdurchschnitt von Selbstständigen und Angestellten. Freiberufler*innen und Selbstständige war laut der Wiesbadener Behörde durchschnittlich 50 Jahre alt, im Gegensatz zu den Angestellten und Arbeitnehmer*innen mit 43 Jahren. Auch hier ist das Durchschnittsalter in den vergangenen 20 Jahren um vier Jahre gestiegen.
Der Kontext
Die Gesellschaft wird immer älter. Die meisten Kinder, die nach der Jahrtausendwende geboren wurden und werden, können laut einer Simulation des Max-Planck-Instituts 100 Jahre und älter werden. Der Grund dafür sind bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, eine fortschreitende Digitalisierung von Arbeitsprozessen sowie eine bessere Gesundheitsversorgung. Allerdings gibt es Unterschiede: Wer sein Leben lang auf dem Bau, am Fließband, auf dem Feld und in der Pflege geschuftet hat, kann mitnichten so lange arbeiten wie Frauen und Männer am Schreibtisch und in Jobs der Informationsgesellschaft. So gehen zahlreiche Bauarbeiter nach Angaben der IG Bau schon mit etwa 58 Jahren in Rente.
Und das nicht, weil sie keine Lust mehr auf ihren Job haben, sondern weil der Rücken steif ist und die Knie nicht mehr kräftig genug sind. Fahrzeug- und Schienenschlosser, die viele Stunden unter defekten Zügen liegen, um diese reparieren, haben Schmerzen in der Hüfte und in den Schultergelenken. Wer aber früher als gesetzlich erlaubt in den Ruhestand geht, hat weniger Rente und fällt nicht selten unter das Existenzminimum.
Die Reaktionen
Um überleben zu können, sind rund die Hälfte der 1,42 Millionen arbeitenden Rentner*innen gezwungen, sich einen Mini-, Honorar- oder Saisonjob zu suchen. Dagegen laufen sozial orientierte Parteien und Gewerkschaften seit Jahren Sturm. So fordert die Linkspartei nicht nur eine Stundenreduzierung von derzeit 38 bis 40 auf 35 Wochenstunden, um die Folgen körperlich schwerer Arbeit abzumildern. Sondern auch eine Anhebung des Mindestlohns von aktuell 8,84 Euro auf 12 Euro, um Altersarmut zu vermeiden. Selbstständige haben auch hier einen Sonderstatut: Sie müssen für ihre Rente selbst vorsorgen und sind daher ohnehin gezwungen, länger zu arbeiten als Angestellte – sowohl in der Lebensarbeitszeit als auch bei den Wochenstunden.
Die Konsequenz
Unternehmen sind gut beraten, ihre Belegschaft divers zu gestalten: gleichermaßen Frauen und Männer, jüngere und ältere Kolleg*innen, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, Eltern und Kinderlose. Dazu gute Arbeitsbedingungen wie angemessene Bezahlung, insbesondere der Honorarkräfte, flexible Arbeitszeiten, Auszeiten für nötige Care-Arbeit. So gelingt der Erfolg – für alle Seiten. Simone Schmollack
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