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die gesellschaftskritikTampons ab sofort keine Luxusgüter mehr

In Großbritannien fällt nach dem Brexit die Mehrwertsteuer auf Damenhygieneartikel weg – der Erfolg einer feministischen Kampagne. In Deutschland werden Tampons und Binden immer noch besteuert

Laura Coryton will sich die Freude von den Brexiteers nicht nehmen lassen. Die von der Britin 2014 begonnene Online-Unterschriftensammlung ist für eine Gesetzesänderung verantwortlich, die in Großbritannien ab dem 1. Januar die fünfprozentige Tampon-Tax, also die britische Mehrwertsteuer auf Damenhygieneartikel, abschafft.

Einige in der Regierung versuchen dies nun als positiven Effekt des Brexit zu verkaufen. Coryton frustriert das, weil es ihr um mehr als nur die britischen Frauen gehe, sagt sie der taz.

2016 brachte der damalige Premierminister David Cameron den Abschaffungsprozess der Tampon-Tax auf die Agenda der EU. Brexitpropagandisten benutzten die Sache seitdem immer wieder als Argument für sich. „Das einstimmige Votum des Europaparlaments hierzu sollte beweisen, dass die EU auch ohne Brexit auf britische Forderungen hört“, erklärt Coryton. Das EU-Parlament hatte die Mitgliedstaaten 2019 aufgerufen, die Steuer abzuschaffen.

Der Brexit hat nun ein widersprüchliches Ergebnis: Der EU-Austritt ermöglichte Großbritannien eine innerhalb der EU bisher nicht erlaubte Steueränderung, während er gleichzeitig dazu führt, dass nun in Zukunft britische Stimmen in Brüssel für eine europaweite Änderung der Steuer fehlen werden.

Das Problem in der EU, auch in Deutschland, ist die Klassifizierung der Hygieneprodukte als Luxus- statt als lebensnotwendige Güter. Die EU-Wettbewerbsrichtlinien erlaubten dem Westminsterparlament bisher nicht, die Steuer abzuschaffen. Deshalb zahlte Großbritannien die jährlichen Steuereinnahmen von umgerechnet 17 Millionen Euro seit 2015 an Frauenorganisationen. Der Fonds soll nun trotz der Steuerabschaffung weitergeführt werden.

Mary-Ann Stephenson von der Denkfabrik Women’s Budget Group fürchtet, dass diese Unterstützung dennoch gefährdet sein könnte: „Seit 2010 sahen wir eine Halbierung der Hilfe für Frauenorganisationen wegen Kürzungen. Die Pandemie verschärft diese Situation.“ Und sie glaubt, dass es eine Frage der politischen Priorisierung ist, wenn die Steuer in den anderen EU-Staaten weiter existiert. Coryton stimmt ihr zu. Über das Anliegen sagt sie: „Es ist eine Nicht-Priorität für Parlamente, in denen Männer weiterhin die Mehrheit darstellen.“

In Großbritannien hätten nach einer jahrzehntelangen Kampagne erst die Stimmen der Online-Unterschriftensamm­lung und die parlamentarische Beihilfe von Paula Sheriff, die bis 2019 Labour-Abgeordnete war und wegen Brustkrebs zurückgetreten ist, einen Unterschied gemacht, sagt Coryton. Nun empfiehlt sie diese Strategie Campaigner:innen in anderen Ländern: „Jemand muss sich hinter die Kampagne stellen“, sagt sie und bietet, trotz Brexit, auch ihre Hilfe an. ­

Daniel Zylbersztajn-­Lewandowski

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