die gesellschaftskritik: Jetzt gib artig die Hand
Wer dänisch werden will, muss Hände schütteln. So ein Unsinn
Händeschütteln wird fester Bestandteil der Einbürgerungszeremonie in Dänemark – so steht es im Einbürgerungsgesetz, das das Parlament in Kopenhagen in der vergangenen Woche verabschiedete. Ab 1.Januar tritt es in Kraft – was konkret bedeutet: Dän*in kann erst werden, wer dazu bereit ist, eine Hand zu schütteln. Also, nachdem diese Person ein bisschen läppischen Kleinkram vorgelegt hat – den Nachweis zum Beispiel, dass sie bereits neun Jahre auf dänischem Boden verbracht hat, ausreichende Kenntnisse von Sprache, Landesgeschichte und Kultur sowie ein sauberes Strafregister.
Das klingt banal, tatsächlich verbirgt sich hinter dieser Aufforderung aber natürlich das, was die dänische Integrationsministerin Inger Stojberg ein „endgültiges Zeichen, Dänemark im Herzen aufgenommen zu haben“ nannte. Die Berührung der Hand wird für den europäischen Kulturkampf gegen das Andere beziehungsweise Muslimische wieder hervorgekramt – was umso absurder ist, da es sich um eine Geste handelt, die auch im Westen eigentlich längst als hoffnungslos altmodisch gilt. Auch in Deutschland und der Schweiz, wo unlängst skandalisiert wurde, dass muslimische Schüler der Lehrerin den Handgruß verweigerten.
Viele Muslime, die das Händeschütteln verweigern, beziehen sich auf Sure 17 Vers 32 im Koran, die den Hautkontakt zwischen zwei unverheirateten Personen unterschiedlichen Geschlechts ablehnt. Sich dem zu widersetzen würde ein drastisches Umdenken erfordern.
Und wozu? Nur weil jemand seiner Mitbürgerin nicht die Hand gibt, heißt das doch nicht, dass er sie nicht respektvoll begrüßt. Gängig ist es, in solchen Situationen zu lächeln und die Hand aufs Herz zu legen. Auch eine nette Geste. Die allerdings unter Umständen wegfällt, wenn jemandem automatisch Frauenverachtung und Integrationsverweigerung vorgeworfen wird.
Es gibt sie natürlich, die frauenverachtenden Muslime. Ultra-patriarchalische Männer gibt es in der westlichen Kultur jedoch ebenso. Und zwar zuhauf. Genau an diesem Punkt aber tritt die Auseinandersetzung seit Ewigkeiten auf der Stelle. Klar ist aber: bei der dänischen Gesetzesänderung geht es nicht um eine Annäherung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Stattdessen zeigt sich umso deutlicher, dass Dänemark neben Polen, Ungarn und Österreich das Nordstück des rechten Europapuzzles der Migrationspolitik bildet. Aron Boks
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