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die dritte meinungEin Denkmal nur für polnische NS-Opfer? Das wäre ein falsches Signal, sagt Stephan Lehnstaedt

Stephan ­Lehnstaedt ist Professor für Holocaust-Studien und Jüdische Studien am Touro College Berlin. Von 2010 bis 2016 war er Mitarbeiter des Deutschen ­Historischen Instituts Warschau.

Weit über fünf Millionen Menschen ermordeten die Deutschen im Zweiten Weltkrieg in Polen. Beschämend wenig ist davon in der heutigen deutschen Öffentlichkeit bekannt. Auch deshalb gibt es aktuell die Forderung, in Berlin ein Denkmal für die polnischen Opfer zu errichten.

Dabei wird vergessen, dass für die Mehrheit der ermordeten Polen bereits ein Denkmal existiert – das Holocaust-Mahnmal: Etwa zwei Drittel aller von Deutschen getöteten Polen waren jüdischer Herkunft. Am Berliner Stelenfeld allerdings wollte Präsident Dudas Kabinettschef keinen Kranz niederlegen. Darauf beziehen sich die Befürworter eines neuen Denkmals: Es gebe keinen Ort des Gedenkens an die polnischen Opfer. Aber waren diese Juden denn keine polnischen Bürger?

Gefordert wird nun ein Denkmal nur für ethnische Polen. Dieses aber stünde für die Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Rassedenkens, was sämtlichen Antisemiten dies- und jenseits der Oder die Freudentränen ins Gesicht triebe. Das Andenken an die polnischen Juden würde gewissermaßen über die Hintertür geschichtspolitisch „entsorgt“, die Minderheit einmal mehr zu Opfern – und Polen – zweiter Klasse. Ein Denkmal für die „wahren“ Polen wäre außerdem eine gefährliche Annäherung an die momentane Diskussionskultur, wonach nur diejenigen das Volk sind, die religiös wie historisch dazugehören und sich nicht von der Mehrheit unterscheiden.

Polen wurden Opfer als Kommunisten und Nationalisten, als Juden, als Katholiken und Protestanten, oder einfach nur, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Darüber aufzuklären ist von höchster Wichtigkeit. Der Genozid an ethnischen Polen darf dabei aber nicht gegen den Genozid an jüdischen Polen – die Schoah – in Stellung gebracht werden. Es ist deshalb Zeit für ein deutsch-polnisches Museum, am besten in Berlin und in Warschau. Es könnte über die komplexe Vergangenheit aufklären und würde ein Zeichen für Verständigung setzen – und nicht für Nationalismus.

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