piwik no script img

„...die Welt neu erfinden“

■ Eine Bestandsaufnahme zur Situation deutschsprachiger Lesbenliteratur

Eine Bremer Neuerscheinung dieses Sommers sei allen lesenden Lesben und Interessentinnen feministischer Literatur besonders empfohlen: “... die Welt neu erfinden - Über das Schreiben und Lesen von Lesbenliteratur“, herausgegeben vom Bremer Frauenbuchladen Hagazussa.

Der 135 Seiten umfassende Sammelband ist mehr als eine schöne Erinnerung (das auch!) an den 1. Bremer Lesbenliteraturmonat vom letzten Herbst.

Geboten werden: Betrachtungen über lesbische Schriftstellerinnen und ihre teils mühevolle Entwicklung vom männlichen zum weiblichen, zum frauenliebenden „Ich“ (Annemarie Schwarzenbach, Christa Reinig). Untersuchungen über deutschsprachige Lesbenliteratur der 20er Jahre („Der Skorpion“) und über die aktuelle, immer noch

nicht gerade von Lebensfreude und Zuversicht (wo soll sie auch herkommen?) geprägte Situation seit Beginn der neuen Frauenbewegung - vier konzentrierte Abhandlungen, in denen die, ansonsten oft spröden, literaturwissenschaftlichen Arbeitsergebnisse einmal spannend und einsichtig vermittelt werden.

Der zweite Teil versammelt Erfahrungsberichte über das (schwierige) Verlegen, Verkaufen und Lesen von Lesbenliteratur, einige Gedichtbeispiele afro-deutscher Autorinnen und - als besonderen Leckerbissen - zum erstenmal auf deutsch publizierte Auszüge aus „La lettre aerienne“ von Nicole Brossard, einer frankokanadischen Schriftstellerin/Philosophin, der hierzulande etwas Publizität zu verschaffen Traude Bührmann und Lea Morrien sich derzeit bemühen.

Brossards radikale, freche, lustvolle Erkenntnisse (“...eine Lesbe, die nicht die Welt neu erfindet, ist eine Lesbe auf dem Weg des Verschwindens“) machen besonders deutlich, was der deutschsprachigen Literatur bis jetzt noch fehlt - aber das kann ja noch kommen.

Die Dokumentation des Bremer Frauenbuchladens ist sicher ein gelungener Anstoß dafür. Alle, die durch die gesammelten Texte Lust auf Weiterlesen bekommen haben, finden im Anhang eine ausführliche Liste lieferbarer Lesbenliteratur - etwas unklar gegliedert zwar, aber welche Leserin wird sie nicht von Anfang bis Ende durchforsten?!

Andrea Schweers

„...die Welt neu erfinden“ ist erhältlich bei: Hagazussa, Friesenstr. 12, 28 Bremen, 15,80 Mark (+ DM 2 bei Postversand)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen