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der rote faden Kirchheimbolanden,du hast es besser!

durch die woche mit

Klaus Raab

Deutschland in der Woche vor der Bundestagswahl. Das Wetter ist Müll, alle koffern sich nur noch an, und ständig taucht überall diese düstere Frage auf: Wer ist schuld? Wer ist schuld? Na? WER IST SCHULD?

Schuld

Wir sagen es lieber gleich: Wir wissen es auch nicht. Wir haben allerdings den dringenden Verdacht, dass, je komplizierter die Welt wird, der Wunsch nach einfachen Antworten eher noch zunimmt.

Peter Altmaier von der CDU wurde dieser Tage zum Beispiel von einem Team der Bild-Zeitung befragt. Das gab ihm einen Satz vor – „Es ist besser, AfD zu wählen, als nicht zu wählen“ – und ließ ihm genau zwei Antwortoptionen: Ja oder Nein. Altmaier verneinte, schob aber nach, dass er nicht fürs Nichtwählen plädiere – „damit wir uns da ganz klar sind“. Letzteres war dann aber wohl zu grautönig. Die Schlagzeile lautete: „Nicht wählen besser als AfD wählen: Darf ein Kanzleramts-Chef so etwas sagen?“

Verlegerinteressen

Altmaier bekam also noch den Schwarzen Peter für diesen Stuss zugeschoben, der den Nationalrevolutionären natürlich nicht schaden wird. Und die Bild sollte vielleicht auch mal eine Frage beantworten: Ist sie heute um Nuancen weniger verantwortungslos als früher? Ja oder nein?

Ebenfalls unter die Räder der gnadenlosen Vereinfachung gerieten die Öffentlich-Rechtlichen. Von einer „gebührenfinanzierten Staatspresse, die den Wettbewerb verzerrt und uns Presseverlagen kaum Entfaltungsmöglichkeiten lässt“, sprach in seiner Rede der Präsident der Zeitungsverleger, ­Mathias Döpfner. Um noch einen Satz nachzuschieben, in dem zwischen „Staatsfernsehen“ und „Nordkorea“ kein Atemzug passte. ARD, ZDF und Deutschlandfunk sollen also schuld daran sein, dass es der Zeitungsbranche nicht so gut geht wie einst. Die Behauptung ist wirklich sagenhaft billig, aber so einfach kann man es sich machen, wenn eine treffendere Analyse eigentlich tausend schmerzhafte Spiegelstriche umfasste.

Gelenktheit

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, für den Döpfner spricht, ist ein Lobbyverband, der dafür kämpft, dass die Interessen privater Medienverlage berücksichtigt werden, wenn der Zukunftszuschnitt der Öffentlich-Rechtlichen politisch diskutiert wird. Man muss nicht seine Positionen teilen, um zur Ansicht zu kommen, dass sie legitim sind. Am besten verträte die Verlegerinteressen wohl die FDP. Nur, warum die Rhetorik einer politischen Debatte wählen, wenn es auch das (funktionsfähige) Vokabular der AfD gibt?

Die Frage ist doch: Wen will man ansprechen als oberster Zeitungsverleger, wenn man die Glaubwürdigkeit von ARD und ZDF grundsätzlich infrage stellt, indem man von „Staatspresse“ redet, also eine Gelenktheit suggeriert, die es selbstverständlich nicht gibt? Die me­dien­politischen Fachleute? Wohl eher die Leute, die Journalisten sowieso für „Merkels Marionetten“ halten. Das muss man natürlich schon wollen. Fast schon komisch ist: Wenn ARD und ZDF, um in Döpfners Bild zu bleiben, der Staat wären, dann wäre der Verlegerverband, so wie er hier die Wutkeule schwingt, die AfD.

Wutkeule

Wenn die ARD dann aber zurückkeilt, man werde hier mit „Fake News“ angegriffen – auch so ein Zerrbegriff aus dem Werkzeugkasten der neurechten Propaganda –, wird es auch nicht besser. Wenn selbst Medienvertreter für ihre Streitigkeiten nun das Wording der Trumps und Bachmannslutze übernehmen, dann wird jeder, der halbwegs auf dem Boden der Realpolitik über die notwendigen Reformen bei den Öffentlich-Rechtlichen diskutieren möchte, in eine Dafür- oder Dagegen-Position geschubst. Bitte nichts Graues. Lieber schnell die Schuldfrage klären. Wer ist schuld an allem? Na, wer? Auf jeden Fall die anderen.

Es lohnt da ein Blick nach Kirchheimbolanden, wo es noch Fragen gibt, auf die niemand sofort eine falsche Antwort hat. Es handelt sich um eine pfälzische Kleinstadt, in der am Sonntag die Leute vor den Wahllokalen befragt werden, welche Partei sie gewählt haben. Unter anderem daraus entstehen dann die ersten Prognosen. Die Ergebnisse keiner anderen Gemeinde waren bei den vergangenen Bundestagswahlen zusammengenommen näher dran am Gesamtergebnis als die in Kirchheimbolanden.

Am Montag um 7 Uhr stellte dort eine Verkehrsteilnehmerin ihren Hyundai auf einem Parkplatz ab. Als sie um 13.50 Uhr zurückkam, war die Seitenscheibe eingeschlagen und ein Päckchen Zigaretten entwendet worden. Und jetzt kommt’s: Wer ist schuld? Na? NA? Wir atmen bitte jetzt alle mal durch und schreiben uns dann die Antwort des Polizeipräsidiums Westpfalz brav hinter die Löffel. Sie lautet: „Täter unbekannt.“ Da haben wir es. Es ist alles nicht so einfach.

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