der problemfall: Kritik am Buch
Myanmar
Wer bis zu 200.000 Reiseführer pro Edition verkauft, trägt Verantwortung. Zumal wenn die Bücher dazu auffordern, auch noch den letzten Winkel dieser Erde zu entdecken. Was also tun, wenn die Menschen in einem dieser bislang noch wenig entdeckten Winkel von einem abscheulichen Militärregime unterdrückt werden wie im Falle Myanmars?
Der Lonely Planet Verlag widmet dieser Frage immerhin einige Zeilen in der Einführung seiner siebten Auflage des Myanmar-Reiseführers – und kommt zu dem Ergebnis, „sozial verantwortlicher Tourismus“ sei erlaubt und helfe sogar, Demokratie zu entwickeln. Das sehen britische Menschenrechtsgruppen wie Tourism Concern und Burma Campaign ganz anders: Schon im Sommer 2000 riefen sie dazu auf, Lonely Planet zu boykottieren. Sie teilen den rigorosen Standpunkt der birmesischen Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die immer noch unter Hausarrest der diktatorischen Militärjunta steht.
Für die charismatische Führerin der Demokratiebewegung steht fest: Wer nach Myanmar reist, verlängert die menschenverachtende Herrschaft der Junta und unterstützt Generäle, die abweichende Meinungen unterdrücken und willkürlich Menschen ins Gefängnis stecken, wenn sie die falschen Witze erzählen oder es wagen, nicht registrierte Faxapparate zu besitzen.
Von diesen Abscheulichkeiten kann sich jeder Reisende selbst überzeugen: Wer beispielsweise die berühmten Tempelanlagen in Bagan besucht, trifft Zwangsarbeiter in Ketten beim Straßenbau. Zwar hat sich die Regierung umgetauft und den einstigen, martialischen Namen „State Law and Order Restoration Council“ in „State Peace and Development Council“ umgewandelt, doch im Alltag und an der Situation der ignorierten Menschenrechte änderte diese sprachliche Schönheitsoperation nichts.
Die deutsche Organisation Tourismus-Watch hat die Aktivitäten der Briten im Sommer vergangenen Jahres aufgegriffen und darauf hingewiesen, wie schwierig eindeutige Antworten zu finden sind. Ähnlich Italien. Dort wird zwar nicht zum Boykott von Lonely Planet aufgerufen, Aktivisten geben lediglich auf Plakaten zu bedenken: „Sie können nicht die Welt verändern, Ihr Urlaubsziel allerdings schon.“
Natürlich ist die Diskussion nicht neu – es gibt sie, seit es diktatorische Regime gibt. Aung San Suu Kyi jedenfalls ist der Meinung, eine Isolation ihres Landes führe zu Reformen. Tony und Maureen Wheeler glauben hingegen, dass sich die Demokratiebewegung mit dieser starren Meinung selbst im Wege stehe, und halten Isolation für den falschen Weg: „Wir kommen gerade aus Myanmar“, sagt Maureen. „Wir haben wieder erlebt, wie wichtig den Menschen dort der Kontakt mit Ausländern ist. Sie sind froh über jeden Fremden, mit dem sie reden können. Und abgesehen vom Austausch: Tourismus ist für viele Leute dort eine kleine Einkommensquelle, die ein besseres Leben ermöglicht.“ Ihr Mann ergänzt, die Welt sei eben nicht schwarzweiß. Jeder solle die Entscheidung für sich selbst treffen können.
KATJA WALLRAFEN
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