der homosexuelle mann:
von ELMAR KRAUSHAAR
... heißt Wowereit, Klaus Wowereit. Mit einem einfachen „Ich bin schwul ...“ und dem unlogischen, aber wunderschönen PR-Zusatz „... und das ist gut so!“ hat sich der Lokalpolitiker aus Lichtenrade-Süd von null auf eins der Homo-Charts katapultiert, weit vor Biolek, Kerkeling, Joop und Westerwelle.
Nach einer ersten Schrecksekunde haben dann aber alle geantwortet, die heterosexuelle Öffentlichkeit ließ die Sau raus. Zickig reagierte Springers Rechtsausleger, der B.Z.-Chefredakteur Georg Gafron. Beleidigt darüber, dass Wowereit ihm zuvorgekommen war, endete sein Kommentar zur Sache mit: „Und deshalb sind diese Anmerkungen zum Thema ‚schwuler Klaus Wowereit‘ die letzten, die Sie in der B.Z. dazu lesen werden.“ Das klingt besonders perfide vor dem Hintergrund jüngster Gerüchte, dass Gafrons Höllenhunde schon in Berlins schwuler Subkultur unterwegs seien, um Munition zu sammeln für die Schlammschlacht des kommenden Wahlkampfs.
Der große Rest der Journaille durfte sich dagegen locker präsentieren. Viele nahmen Wowereits Schritt zum Anlass, wieder einmal die Frage nach dem Privaten im Öffentlichen zu erörtern. Natürlich würde keiner entsprechend problematisieren, wenn sich beispielsweise ein Spitzenkandidat nach seiner Wahl mit Frau und Kindern den Fotografen stellt. Bei einem Schwulen liegen die Dinge anders. Wenn der von seinem Privaten spricht, starren alle nur noch auf das vermeintlich Sexuelle der Information, und fertig ist die ungleiche Gleichung: Privatleben = Sexualleben. „Das Intimleben der Politiker war lange Zeit ein Tabu. Jetzt fallen die letzten Schutzwälle“, schwarzmalte Harald Martenstein im Tagesspiegel, und „Auf welches Kissen er abends seinen Kopf legt“, wollte Erich Böhme in der Berliner Zeitung gleich gar nicht wissen. Den Vogel der unausweichlichen Assoziation aber durfte der Berlin-Korrespondent der Times, Roger Boyes, im Tagesspiegel abschießen. Über die Vorzeigeschwulen seiner Heimat, Oscar Wilde, Peter Mandelson und Michael Portillo, landete er direkt bei der Prostitution in Berlin, „... die von Professionellen wie die von Amateuren“, und dem abschlägigen Bescheid, dass Berlin nicht so sexy sei, wie seine Landsleute gerne glaubten.
Den Part des intellektuell Verwirrten, der seine Homophobie nicht mehr kaschieren kann, übernahm Jakob Augstein in der Süddeutschen Zeitung. Er startete mit einem toten Abgeordneten in Korsett und Damenstrümpfen und einer Orange im Mund, denunzierte Volker Beck als einen Politiker, „bei dem die sexuelle Orientierung sozusagen zum Beruf gehört“, zog einen Grafen im rosa Ballettkleidchen hinzu, um schließlich im Bett mit Hannelore und Helmut Kohl zu landen. Augsteins Resümee dieser Tour de Panique: „Wir können auf Informationen zu Klaus Wowereits Sexualleben verzichten.“
Augstein sei es gesagt und allen anderen Herren – denn es sind nur Herren, die sich derart hinreißen lassen – mit der gleichen Projektion: Klaus Wowereit hat nicht von seinem Sexualleben gesprochen. Nein! Nicht! Kein einziges Wort.
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