der homosexuelle mann ... :
von ELMAR KRAUSHAAR
... lehnt sich traurig zurück: So viele Jahre sind ins Land gegangen und nichts ist passiert. Gar nichts. Der Müll in den Köpfen der Menschen bleibt, setzt sich hartnäckig fort von Generation zu Generation. Nein, ich lass mir meine Vorurteile nicht nehmen, hallt es aus Millionen Hirnen, und wie Ertrinkende klammern sie sich an ihre längst versunken geglaubte Dummheit.
Stefan Raab ist ein verehrter Mann, Idol der tonangebenden Spaßgeneration. Der macht er den permanten Kindergeburtstag, und jeder feiert mit. Als Raab kürzlich einen Ausflug machen darf nach Stockholm, sind wieder alle mit dabei. Sein Sender zaubert ein ganzes Wochenprogramm aus dem Trip, und die Nation wird Zeuge, wie der Bubi in der Kinderstube auf die Fresse fällt: Vom „Arschtritt-Lindgren-Museum“ erzählt er den Zuhausegebliebenen, von den „Kindern von Bullimi“, „Michael aus Pimmelberg“ und „Pippi Kakerlak“. „Das war lustig“, sagt er dann, die daheim lachen mit, und niemand in Schweden weist ihn auf der Stelle aus. „Deutscher Humor“, bescheinigt die britische Boulevardpresse, und „Das hätten wir nicht gedacht, dass die Deutschen so locker sein können!“, sekundiert ein Schweizer Journalist.
Doch der Mann, von seinem Produzenten als „immer authentisch“ beschrieben, will mehr. Nach jahrelangen verbalen Annäherungsversuchen mit Sprüchen und Witzen, steht er ihnen jetzt in Stockholm livehaftig gegenüber: „Ich habe schon davon gehört“, bekennt er über den Schirm, „aber jetzt habe ich es wirklich erlebt: Es sind hier auf den Empfängen so erstaunlich viele Schwule zugegen.“ Weiter: „Der Grand Prix ist ja als Schwulen-Olympiade bekannt.“ Wer ihm diesen Quatsch wohl gesteckt hat? „Die bezeichnen das selber so.“ Und als er in Stockholms größter Homo-Disco, dem Tip Top, einer näselnden Tunte das Mikro vorhält, kann er nur zurücknäseln: „Hach, du bist gar keine Brite, du bist ja schwul.“ Dabei lacht er wieder, als verklemmter Hetero weiß er genau, nichts bringt ihn besser in Deckung als eine gelungene Schwulenparodie.
„Aber jetzt mal ernst“, legt der Blödelbarde nach und sagt es offen raus: „Ich habe nichts dagegen. Das sind ja freundliche, lustige Menschen.“ Oder Steinläuse? Ist Raab nicht in der Zeile verrutscht und quasselt den Text nach von Loriot, wie der in seinem Grzimek-Sketch über die possierlichen Haustiere doziert? Nein, Raab meint es ernst: „Das sind wirklich sehr nette, kreative Menschen.“ Danke, Raab, danke!
Zur Party in der lettischen Botschaft schart sich alles um den süßen Reynard Cowper, den Sänger von BrainStorm. Bis die Internationale der Tunten aufkreuzt. Aufgebrezelt und siegesgewiss. Kameras und Mikros hechten ihnen sofort hinterher. „Was machen Sie hier in Stockholm?“, fragt eine scheinheilige Kuh von RTL. „Ficken!“, tönt es zurück, was hat die denn erwartet. „Und was halten Sie von Stefan Raab“? – „Gar nichts!“ Die Tunten übertreffen sich: „Mit dem kleinen Schwanz!“ Der Superstar mit dem Kinderlied war nicht zugegen, und so hat auch keiner darüber berichtet. Falls es doch einer gewagt hätte, wäre sicher Raabs Managerin wieder mit einer Presseerklärung dazwischengegangen und hätte die Kollegen aufgefordert, keine Lügen zu verbreiten und fair zu sein zu ihrem Schützling. Fair!
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